Kleiner Tourbericht
Nach einer langen, kalten Dusche und einer großen Portion
Schlaf geht es mir richtig gut....ein kleiner Rest Fernweh ist noch
zurück geblieben, doch den möchte ich eigentlich nicht vertreiben.
Die Ausschreibung hatte schon verlockend geklungen:
„Natur erleben, Gott erfahren; Paddeln in Südfrankreich“.
Als ich dann mit einer Freundin kurz vor Ulm stand, auf
den kleinen Bus mit den restlichen sechs wartete, hatte ich schon
ein mulmiges Gefühl im Magen. Zehn Tage auf engstem Raum mit fast
ausschließlich Fremden, im schlimmsten Fall konnten das zehn Tage
voll Stress und schlechter Laune werden.
Doch weit gefehlt, der erste Eindruck ließ diesen kleinen
Stein im Magen augenblicklich verschwinden. Aus der ersten Reihe
lachten uns drei gutgelaunte Gesichter entgegen, aufgeschlossen und
Spontanität versprühend. Die zeitlich lange Busfahrt verkürzte
man durch sich gegenseitiges „anschnuppern“. Da gab es natürlich
zuallererst den Organisator der Tour, Stefan, Diakon aus
Leidenschaft und so ganz aus der Reihe fallend, der beeindruckend
schnell die schönsten Übernachtungsplätze fand. Tanja, unsere
Krankenschwester, die immer sofort zur Stelle war, wenn es um’s
Verarzten ging und für jedes Wehwehchen ein passendes Mittelchen
griffbereit hatte.
Robert, genannt Robbi, der anfangs etwas ruhigere Pol
unserer kleinen Truppe mit den genialsten Massagen die ich jemals
bekommen habe. Elisabeth, Sissi oder Sabeth, die Langschläferin,
Weitgereiste mit einer süßen Stupsnase. Das Geschwisterpärchen
Chris und Vici (Christian und Victoria). Er ein Hüne von Mann mit
richtig Kraft in den Muskeln zum Booteschleppen und mit einer für
uns unbegreiflichen Liebe zu Orangina . Seine Schwester, etwas zurückgezogener,
taute von Tag zu Tag mehr auf, hatte immer eine freie Hand zum
Helfen und ist die beste „Vorderfrau“ die man sich wünschen
kann.
Maren, die mit mir zusammen einzigste Badnerin zwischen
den ganzen Bayern, kümmerte sich fast selbstlos um unsere Küche,
passt auf, dass beim Einkauf nichts vergessen wurde, immer den
gesamten Vorrat im Hinterkopf. Ich selbst kann mich nur schwer
beschreiben, da sind die Anderen gefragt, oder man kann dies auch
aus dem Bericht herauslesen.
Nach der ersten kurzen Nacht während der
„Runterfahrt“ einfach im Schlafsack unter freiem Sternenhimmel
wurden wir vor die erste schwerwiegende Entscheidung gestellt.
Ardeche, bekannt, landschaftlich schon mit wenig Wasser und vielen
Touristen auf der einen und Verdon mit vielen Stauseen, etwas
unbekannter was auch weniger Tret- und Motorboote bedeutet,
wassersicherer und landschaftlich wunderschöne auf der anderen
Seite.
Aus dem Bauch heraus entschied man sich für den Verdon.
Zuerst sollten wir aber an einem leicht schlammigen Stausee kräftig
üben. So hieß es zum ersten von vielen, vielen Malen „Boote
runter vom Dach“. Drei Tobago, also offene Zweisitzer für uns Anfänger
und zwei Einsitzer, (Xeno und Kendo) für Stefan, Tanja und
gelegentlich auch für uns zum Üben. Das Geradeausfahren sollte die
erste schwere Hürde sein, die wir zu überwinden hatten. Anfangs
versuchten Maren und ich uns mit Stechpaddeln: „Du rechts, ich
links; wie war das jetzt?? Gleichzeitig oder net??? Tief einstechen
oder ganz flach am Wasser entlang????“
Hier hatten wir auch unseren größten Verlust zu beklagen
... eine Lenzschraube. Die Bedeutung dieser kleinen unscheinbaren
Schraube sollte uns, vor allem aber Stefan erst im etwas
„wilderen“ Wasser bewusst werden, doch zum Glück gibt es
Silikon. Man glaubt gar nicht wofür dieses unscheinbare Zeug
alles verwendet werden kann.
Am Abend wurde wegen des starken Windes als eines der
wenigen Male ein Zelt aufgebaut. Drei im Zelt, vier im Auto, eine
draußen. Der nächste Tag war unfreiwillig gewissermaßen ein
Ruhetag, was uns Anfängern einigen Unmut von Seiten der
Organisation brachte. Morgens wollte so keiner recht ins Wasser und
am frühen Abend ergab sich die Gelegenheit nicht. Die
Hintergrundkulisse für das Abendessen war beeindruckend. Eine von
unten riesig aussehende Staumauer in einem schmalen Tal mit
gigantischen Felsbrocken, die wie übergroße Kieselsteine aussahen
und eisig kaltem Wasser. Leider durften wir hier nicht übernachten
und fanden neben einer Vogelfarm ein schönes Plätzchen zum
Frisbeespielen, Sternschnuppen- und Satelliten suchen, einige Sorgen
bereiteten uns nur undefinierbare Spuren im Staub. Die Vermutungen
reichten von Hunden über Wölfen bis hin zu Bären.
Samstag stand dann die erste lange Tour auf dem Programm,
landschaftlich eine wunderschöne Schlucht, Wasser erfrischend kalt
und fast keine Menschen. Chris bekam eine von vielen Lektionen in
der Eskimorolle und auf dem Rückweg stießen so manche, ich
eingeschlossen an ihre bescheidenen Kräfte und verwünschten die
Stechpaddel, die für die restliche Zeit ins Auto verbannt wurden.
Der Abend war dementsprechend ruhig, jeder suchte Ruhe und Kraft um
die Oberarme zu regenerieren. Sissi und Vici versuchten dies mit
zeichnen, Chris mit Mundharmonika spielen, Maren und ich durch
Massage, Robbi, Tanja und Stefan reichte Dösen.
Frisch gestärkt, jedes Paar mit Kajakpaddeln ging's am nächsten
Tag an den oberen Stausee, nicht minder schön. Auf dem Hinweg
wurden einige Höhlen erkundet, Feigen gesucht und waghalsig Felsen
erklommen. Abkühlung verschaffte man sich im Wasser oder in der
Pause unter Bäumen. Auch das Kulturelle kann nicht zu kurz, Robbi führte
uns mit viel Kompetenz und Fachwissen in die Hintergründe der
dortigen Ausgrabungsstelle ein. Die Auswirkungen des letzten Tags
waren besonders am Schlafverhalten einiger noch zu spüren. Auf dem Rückweg
konnte man langsam etwas Routine erkennen, wir fingen an uns von
normalen „Urlaubseinmalpaddlern“ zu unterscheiden, so wurden
einige überholt und sogar an Tret- und Motorboote kamen wir ran;
einige wollten sogar ein Boot entern, sich die Beute nach Piratenart
aufteilen.
Unser Ruheplatz lag an diesem Abend
in der Nähe des Grabes
des Legendären Noah, und während der gemütlichen Abendrunde im
Schein der Kerze wurde eifrig über den Glauben diskutiert, neue
Aspekte aufgeworfen, altes verarbeitet.
Der Vorschlag von Tanja,
den nächsten Tag zu einem Ruhetag
zu machen wurde von allen mit Begeisterung aufgenommen. So lebten
wir wie Robinson Crouso auf einer Insel, ein Teil paddelte, der Rest
schwamm hinüber. Zuvor durften wir beim Frühstück die Wassergewöhnung
französischer Erwachsener bewundern mit einer äußerst sportlichen
und gutaussehenden Trainerin. Am Abend hatten wir dank Stefan einen
herrlichen Schlafplatz. Unser Bus stand leicht eingekuschelt neben
einem Feldweg und bot uns zusammen mit ein paar Bäumen und Sträuchern
fast vier Wände. Ein bisschen weiter den Berg hinauf hatte man
einen wunderschönen Ausblick auf den Lac st coix. Wäre es nicht so
steinig gewesen hätte ich dort am liebsten übernachtet.
Dienstag Morgen kamen wir viel zu spät los und alle
sieben mussten schmerzhaft erkennen, dass Stefan recht hatte. Es
sollte zum ersten Mal in etwas schwierigeres Wasser gehen, doch
mussten wir zuvor durch eine sehr touristenbevölkerte Schlucht.
Nach längerem Booteschleppen vom Auto bis zum See hatten wir uns
durch Massen von Tretbooten zu schlagen und die ruhigen Plätze zu
erreichen. Mit einem beherzten Eingriff unter Lebensgefahr rettete
Chris einen Frischling aus den Fluten und bekam von uns –geistig-
eine Rettermedallie verliehen. Den frühen Abend verbrachten wir im
kleinen an den Berg gekuschelten Städtchen Maustiers mit Bummeln.
Hier gibt es auch das beste Quellwasser, das ich jemals getrunken
habe. Abends zog ein Gewitter auf und wir beschlossen direkt zur
Durence weiterzufahren, die wahrscheinlich anstrengendste Autofahrt
über unzählige Pässe mit einer Straßenkarte, die mal mehr, mal
weniger beinhaltete. Ein Gutes hatte die Autofahrt aber doch für
Stefan, nie wieder hat Tanja ihn in einem 12 sec. Rhythmus
angeschaut und sich vergewissert, dass er noch „da“ ist.
Am Stausee der Durence angekommen war die Verblüffung in
den Gesichtern der drei Routinierten deutlich zu sehen. Der
Wasserstand lag ganze zwei Meter tiefer als bei ihrem letzten
Besuch.... Auswirkungen der langen Hitzeperiode und des äußerst
wenigen Regens.
Am Mittwoch bekamen wir einen neuen Mitbewohner: Felix.
Nachdem er den ersten Schock überwunden hatte, hielt er keine zwei
min. seinen Schnabel und es kam die Diskussion auf, ob er/sie
wirklich auf den richtigen Namen getauft war. An dieser Stelle muss
der selbstlose Einsatz von Robbi erwähnt werden, der sich sofort
als Vogelmama engagierte. Nicht vergessen werden dürfen aber auch
die anderen freiwilligen Mütter, die sich um den goldigen, kleinen
Kerl angenommen haben.
Den Tag verbrachten wir zum Üben an einer Spielstelle.
Man konnte 200m paddeln und dann über einen Kanal wieder zurück,
ohne das Boot tragen zu müssen. Großes Highlight war die
Wasserrutsche. An diesem und den nächsten Tagen schluckte so
mancher das sehr „zapfige“ Wasser des Gebirgsflüsschens.
Donnerstag stand wieder eine längere Etappe auf dem
Programm. Die Meinungen unter uns über diese Etappe im „spritzligeren“
Wasser ging am Ende des Tages ziemlich auseinander. Ich war und bin
es auch jetzt noch sehr begeistert. Man war gezwungen schnell zu
reagieren, musste sich konzentrieren und saß im Wasser, da das Boot
ständig volllief. Dabei war nicht nur Kraft sondern auch Technik
und Teamwork gefragt. Auf Geheiß unseres Stefans inspizierten wir
die schwierigsten Stellen und beschlossen sie, in Rücksicht auf die
Boote (und uns) zu umtragen. Am Abend fuhren wir zurück zur
Spielstelle und beschlossen auch den Freitag und halben Samstag,
unseren leider schon letzten Paddeltag, dort zu verbringen.
Felix machte uns große Sorgen, er wollte einfach nichts
fressen und spuckte uns jedes ihm noch so mühsam eingeflößte Körnchen
geradewegs wieder zurück in die Hand. Er war ziemlich nervös und
flattrig. Leider sollte er die kommende Nacht nicht überleben.
Der Freitag wurde auf unterschiedlichste Weise genutzt...
Paddeln, Karten schreiben, lesen, zeichnen und schlafen, wobei es
zeitweise wirklich erstaunlich ist, wie lange und wie viel ein
einzelner Mensch zu schlafen imstande ist.
Ich versuchte mich auch an der
Eskimorolle, doch die
Muskeln, die man dazu benötigt sind bei mir im Alltag so wenig
beansprucht, dass es sich als ziemlich schwer erwiesen hat, nur mir
der Hüfte den gesamten Kendo (danke an Tanja übrigens, die ihn so
bereitwillig zur Verfügung gestellt hat) umzuwerfen. Die ganze bzw.
halbe Rolle ist mir in der kurzen Zeit leider nicht mehr gelungen,
Chris war wesentlich erfolgreicher, aber es gibt hoffentlich noch
ein nächstes Jahr.
Samstag hieß es dann Abschied nehmen von Südfrankreich,
alles zusammenpacken, rein ins Auto und wieder zurück in die
Heimat. Die Autofahrt verlief ruhig, jeder hing seinen eigenen
Gedanken nach und hatte wohl ein lachendes und ein weinendes Auge im
Gesicht.
In Ulm stiegen Maren und ich dann aus, schon mit einem
Stein im Magen....
Zehn Tage und
zehn Nächte schweißen schon zusammen, aber
wir wollen mal ein verlängertes Wochenende zum Paddeln fahren und
trotz der weiten Entfernungen ein Nachtreffen zustande bringen!!!
Viola 12.08.2003
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