Paddeln in Südfrankreich 2003

 

Kleiner Tourbericht

 

Nach einer langen, kalten Dusche und einer großen Portion Schlaf geht es mir richtig gut....ein kleiner Rest Fernweh ist noch zurück geblieben, doch den möchte ich eigentlich nicht vertreiben.

 

Die Ausschreibung hatte schon verlockend geklungen: „Natur erleben, Gott erfahren; Paddeln in Südfrankreich“.

Als ich dann mit einer Freundin kurz vor Ulm stand, auf den kleinen Bus mit den restlichen sechs wartete, hatte ich schon ein mulmiges Gefühl im Magen. Zehn Tage auf engstem Raum mit fast ausschließlich Fremden, im schlimmsten Fall konnten das zehn Tage voll Stress und schlechter Laune werden.  

Doch weit gefehlt, der erste Eindruck ließ diesen kleinen Stein im Magen augenblicklich verschwinden. Aus der ersten Reihe lachten uns drei gutgelaunte Gesichter entgegen, aufgeschlossen und Spontanität versprühend. Die zeitlich lange Busfahrt verkürzte man durch sich gegenseitiges „anschnuppern“. Da gab es natürlich zuallererst den Organisator der Tour, Stefan, Diakon aus Leidenschaft und so ganz aus der Reihe fallend, der beeindruckend schnell die schönsten Übernachtungsplätze fand. Tanja, unsere Krankenschwester, die immer sofort zur Stelle war, wenn es um’s Verarzten ging und für jedes Wehwehchen ein passendes Mittelchen griffbereit hatte.

Robert, genannt Robbi, der anfangs etwas ruhigere Pol unserer kleinen Truppe mit den genialsten Massagen die ich jemals bekommen habe. Elisabeth, Sissi oder Sabeth, die Langschläferin, Weitgereiste mit einer süßen Stupsnase. Das Geschwisterpärchen Chris und Vici (Christian und Victoria). Er ein Hüne von Mann mit richtig Kraft in den Muskeln zum Booteschleppen und mit einer für uns unbegreiflichen Liebe zu Orangina . Seine Schwester, etwas zurückgezogener, taute von Tag zu Tag mehr auf, hatte immer eine freie Hand zum Helfen und ist die beste „Vorderfrau“ die man sich wünschen kann.

Maren, die mit mir zusammen einzigste Badnerin zwischen den ganzen Bayern, kümmerte sich fast selbstlos um unsere Küche, passt auf, dass beim Einkauf nichts vergessen wurde, immer den gesamten Vorrat im Hinterkopf. Ich selbst kann mich nur schwer beschreiben, da sind die Anderen gefragt, oder man kann dies auch aus dem Bericht herauslesen.

 

Nach der ersten kurzen Nacht während der „Runterfahrt“ einfach im Schlafsack unter freiem Sternenhimmel wurden wir vor die erste schwerwiegende Entscheidung gestellt. Ardeche, bekannt, landschaftlich schon mit wenig Wasser und vielen Touristen auf der einen und Verdon mit vielen Stauseen, etwas unbekannter was auch weniger Tret- und Motorboote bedeutet, wassersicherer und landschaftlich wunderschöne auf der anderen Seite.

Aus dem Bauch heraus entschied man sich für den Verdon. Zuerst sollten wir aber an einem leicht schlammigen Stausee kräftig üben. So hieß es zum ersten von vielen, vielen Malen „Boote runter vom Dach“. Drei Tobago, also offene Zweisitzer für uns Anfänger und zwei Einsitzer, (Xeno und Kendo) für Stefan, Tanja und gelegentlich auch für uns zum Üben. Das Geradeausfahren sollte die erste schwere Hürde sein, die wir zu überwinden hatten. Anfangs versuchten Maren und ich uns mit Stechpaddeln: „Du rechts, ich links; wie war das jetzt?? Gleichzeitig oder net??? Tief einstechen oder ganz flach am Wasser entlang????“

Hier hatten wir auch unseren größten Verlust zu beklagen ... eine Lenzschraube. Die Bedeutung dieser kleinen unscheinbaren Schraube sollte uns, vor allem aber Stefan erst im etwas „wilderen“ Wasser bewusst werden, doch zum Glück gibt es Silikon. Man glaubt gar nicht wofür dieses unscheinbare Zeug alles verwendet werden kann.

Am Abend wurde wegen des starken Windes als eines der wenigen Male ein Zelt aufgebaut. Drei im Zelt, vier im Auto, eine draußen. Der nächste Tag war unfreiwillig gewissermaßen ein Ruhetag, was uns Anfängern einigen Unmut von Seiten der Organisation brachte. Morgens wollte so keiner recht ins Wasser und am frühen Abend ergab sich die Gelegenheit nicht. Die Hintergrundkulisse für das Abendessen war beeindruckend. Eine von unten riesig aussehende Staumauer in einem schmalen Tal mit gigantischen Felsbrocken, die wie übergroße Kieselsteine aussahen und eisig kaltem Wasser. Leider durften wir hier nicht übernachten und fanden neben einer Vogelfarm ein schönes Plätzchen zum Frisbeespielen, Sternschnuppen- und Satelliten suchen, einige Sorgen bereiteten uns nur undefinierbare Spuren im Staub. Die Vermutungen reichten von Hunden über Wölfen bis hin zu Bären.

Samstag stand dann die erste lange Tour auf dem Programm, landschaftlich eine wunderschöne Schlucht, Wasser erfrischend kalt und fast keine Menschen. Chris bekam eine von vielen Lektionen in der Eskimorolle und auf dem Rückweg stießen so manche, ich eingeschlossen an ihre bescheidenen Kräfte und verwünschten die Stechpaddel, die für die restliche Zeit ins Auto verbannt wurden. Der Abend war dementsprechend ruhig, jeder suchte Ruhe und Kraft um die Oberarme zu regenerieren. Sissi und Vici versuchten dies mit zeichnen, Chris mit Mundharmonika spielen, Maren und ich durch Massage, Robbi, Tanja und Stefan reichte Dösen.

Frisch gestärkt, jedes Paar mit Kajakpaddeln ging's am nächsten Tag an den oberen Stausee, nicht minder schön. Auf dem Hinweg wurden einige Höhlen erkundet, Feigen gesucht und waghalsig Felsen erklommen. Abkühlung verschaffte man sich im Wasser oder in der Pause unter Bäumen. Auch das Kulturelle kann nicht zu kurz, Robbi führte uns mit viel Kompetenz und Fachwissen in die Hintergründe der dortigen Ausgrabungsstelle ein. Die Auswirkungen des letzten Tags waren besonders am Schlafverhalten einiger noch zu spüren. Auf dem Rückweg konnte man langsam etwas Routine erkennen, wir fingen an uns von normalen „Urlaubseinmalpaddlern“ zu unterscheiden, so wurden einige überholt und sogar an Tret- und Motorboote kamen wir ran; einige wollten sogar ein Boot entern, sich die Beute nach Piratenart aufteilen.

Unser Ruheplatz lag an diesem Abend in der Nähe des Grabes des Legendären Noah, und während der gemütlichen Abendrunde im Schein der Kerze wurde eifrig über den Glauben diskutiert, neue Aspekte aufgeworfen, altes verarbeitet.

Der Vorschlag von Tanja, den nächsten Tag zu einem Ruhetag zu machen wurde von allen mit Begeisterung aufgenommen. So lebten wir wie Robinson Crouso auf einer Insel, ein Teil paddelte, der Rest schwamm hinüber. Zuvor durften wir beim Frühstück die Wassergewöhnung französischer Erwachsener bewundern mit einer äußerst sportlichen und gutaussehenden Trainerin. Am Abend hatten wir dank Stefan einen herrlichen Schlafplatz. Unser Bus stand leicht eingekuschelt neben einem Feldweg und bot uns zusammen mit ein paar Bäumen und Sträuchern fast vier Wände. Ein bisschen weiter den Berg hinauf hatte man einen wunderschönen Ausblick auf den Lac st coix. Wäre es nicht so steinig gewesen hätte ich dort am liebsten übernachtet.

Dienstag Morgen kamen wir viel zu spät los und alle sieben mussten schmerzhaft erkennen, dass Stefan recht hatte. Es sollte zum ersten Mal in etwas schwierigeres Wasser gehen, doch mussten wir zuvor durch eine sehr touristenbevölkerte Schlucht. Nach längerem Booteschleppen vom Auto bis zum See hatten wir uns durch Massen von Tretbooten zu schlagen und die ruhigen Plätze zu erreichen. Mit einem beherzten Eingriff unter Lebensgefahr rettete Chris einen Frischling aus den Fluten und bekam von uns –geistig- eine Rettermedallie verliehen. Den frühen Abend verbrachten wir im kleinen an den Berg gekuschelten Städtchen Maustiers mit Bummeln. Hier gibt es auch das beste Quellwasser, das ich jemals getrunken habe. Abends zog ein Gewitter auf und wir beschlossen direkt zur Durence weiterzufahren, die wahrscheinlich anstrengendste Autofahrt über unzählige Pässe mit einer Straßenkarte, die mal mehr, mal weniger beinhaltete. Ein Gutes hatte die Autofahrt aber doch für Stefan, nie wieder hat Tanja ihn in einem 12 sec. Rhythmus angeschaut und sich vergewissert, dass er noch „da“ ist.

Am Stausee der Durence angekommen war die Verblüffung in den Gesichtern der drei Routinierten deutlich zu sehen. Der Wasserstand lag ganze zwei Meter tiefer als bei ihrem letzten Besuch.... Auswirkungen der langen Hitzeperiode und des äußerst wenigen Regens.

Am Mittwoch bekamen wir einen neuen Mitbewohner: Felix. Nachdem er den ersten Schock überwunden hatte, hielt er keine zwei min. seinen Schnabel und es kam die Diskussion auf, ob er/sie wirklich auf den richtigen Namen getauft war. An dieser Stelle muss der selbstlose Einsatz von Robbi erwähnt werden, der sich sofort als Vogelmama engagierte. Nicht vergessen werden dürfen aber auch die anderen freiwilligen Mütter, die sich um den goldigen, kleinen Kerl angenommen haben.

Den Tag verbrachten wir zum Üben an einer Spielstelle. Man konnte 200m paddeln und dann über einen Kanal wieder zurück, ohne das Boot tragen zu müssen. Großes Highlight war die Wasserrutsche. An diesem und den nächsten Tagen schluckte so mancher das sehr „zapfige“ Wasser des Gebirgsflüsschens.

Donnerstag stand wieder eine längere Etappe auf dem Programm. Die Meinungen unter uns über diese Etappe im „spritzligeren“ Wasser ging am Ende des Tages ziemlich auseinander. Ich war und bin es auch jetzt noch sehr begeistert. Man war gezwungen schnell zu reagieren, musste sich konzentrieren und saß im Wasser, da das Boot ständig volllief. Dabei war nicht nur Kraft sondern auch Technik und Teamwork gefragt. Auf Geheiß unseres Stefans inspizierten wir die schwierigsten Stellen und beschlossen sie, in Rücksicht auf die Boote (und uns) zu umtragen. Am Abend fuhren wir zurück zur Spielstelle und beschlossen auch den Freitag und halben Samstag, unseren leider schon letzten Paddeltag, dort zu verbringen.

Felix machte uns große Sorgen, er wollte einfach nichts fressen und spuckte uns jedes ihm noch so mühsam eingeflößte Körnchen geradewegs wieder zurück in die Hand. Er war ziemlich nervös und flattrig. Leider sollte er die kommende Nacht nicht überleben.

Der Freitag wurde auf unterschiedlichste Weise genutzt... Paddeln, Karten schreiben, lesen, zeichnen und schlafen, wobei es zeitweise wirklich erstaunlich ist, wie lange und wie viel ein einzelner Mensch zu schlafen imstande ist.

Ich versuchte mich auch an der Eskimorolle, doch die Muskeln, die man dazu benötigt sind bei mir im Alltag so wenig beansprucht, dass es sich als ziemlich schwer erwiesen hat, nur mir der Hüfte den gesamten Kendo (danke an Tanja übrigens, die ihn so bereitwillig zur Verfügung gestellt hat) umzuwerfen. Die ganze bzw. halbe Rolle ist mir in der kurzen Zeit leider nicht mehr gelungen, Chris war wesentlich erfolgreicher, aber es gibt hoffentlich noch ein nächstes Jahr.

Samstag hieß es dann Abschied nehmen von Südfrankreich, alles zusammenpacken, rein ins Auto und wieder zurück in die Heimat. Die Autofahrt verlief ruhig, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach und hatte wohl ein lachendes und ein weinendes Auge im Gesicht.  

In Ulm stiegen Maren und ich dann aus, schon mit einem Stein im Magen....

Zehn Tage und zehn Nächte schweißen schon zusammen, aber wir wollen mal ein verlängertes Wochenende zum Paddeln fahren und trotz der weiten Entfernungen ein Nachtreffen zustande bringen!!!

   

Viola    12.08.2003