nach Arthur Schult
Leonardo da Vincis Abendmahl im Licht der Symbolik der Astro-Sophie (Sternen-Weisheit).
Leonardo war vielseitig interessiert und beschäftigte sich u.a. auch mit der Astrologie. Das Abendmahl gehört zu den größten Kunstwerken aller Zeiten und Völker. Es hat eine wahrhaft menschliche Bedeutung, wie wir bald sehen werden. Die Kosmische und Göttliche Bedeutung des Menschen ist kaum irgendwo großartiger künstlerisch dargestellt worden, als in diesem Bild. Leider ist seine geistige Symbolik beinahe ganz vergessen worden.
Leonardo wurde nach dem gregorianischen Kalender am 24.04.1452 (julianischer Kalender 15.04.1452) 22.30 Uhr in Vinci/Toskana geboren. Wir nehmen den damals geltenden julianischen Kalender. Der gregorianische Kalender wurde erst 1582 eingeführt.
Außer der Sonne steht auch noch die Herrscherin Venus im Stier im Trigon zu Neptun, welcher in der Mystik als höhere Oktave zur Venus, als Planet der Kosmischen All-Liebe im 9. Haus im zweiten Venus-Tierkreiszeichen Waage steht. Dort steht im 10. Haus auch Saturn in seiner Erhöhung (10. Haus) im Trigon zu Mars, der im Uranus-Tierkreiszeichen Wassermann im 2. Haus leuchtet. Beide Venus-Tierkreiszeichen Stier und Waage sind also gleichermaßen betont. Nächst der hohen künstlerischen Venus-Qualität bestimmen noch am stärksten die großen Planeten Jupiter und Saturn das Geburtsbild. Jupiter ist der Geburtsgebieter (Ascendent im Schütze) und steht im künstlerisch-medialen Tierkreiszeichen Fisch im Sextil zur Sonne. Saturn aber, der große Schicksalsplanet, steht erhöht im Venus-Tierkreiszeichen Waage in Konjunktion zum Medium coeli und im 10 Haus (Berufung) im Trigon zum Mars.
Mars und Venus sind für den Künstler besonders wichtige Planeten. Paracelsus sagte schon: "Qui laborat sine Venere et Marte est stultus in arte". "Wer ohne Venus und Mars arbeitet, ist dumm in der Kunst". Diese beiden Planeten stehen im 2. und 6. Haus, welche für materielle Mittel und Arbeit stehen, verknüpft mit dem Berufsfeld (Venus als Herrscherin, Mars im Trigon zu Saturn).
Auffallend ist noch, dass außer dem Schwellenhüter Saturn nur noch die 3, damals noch nicht entdeckten, geistigen Planeten über dem Horizont stehen und auch einige Aspekte aufweisen, noch dazu im 8. und 9. Haus. Das weist darauf hin, dass Leonardo ein hoch entwickeltes intuitives Denken (Uranus), intuitives Fühlen (Neptun) und ein intuitiv-magisches Wollen (Pluto) besaß.
Trotzdem hatte er es nicht leicht im Leben. Werke wurden früh zerstört, seinen Lebensabend musste er in Frankreich verbringen, weil er in Rom keine Aufgaben mehr fand. Er starb im Exil.
Saturn steht doch gefährlich hoch im Berufsfeld in Opposition zum Merkur und im Quadrat zum aufsteigenden Mondknoten. Und die schwere karmische Achse - Todes- und Lebensachse - 2. und 8. Haus lastet sehr. Trotzdem scheint er sie gemeistert zu haben, denn kurz vor seinem Tod schrieb er die Worte nieder: "Wer zu leben gelernt hat, der hat auch gelernt zu sterben".
Doch nun zum "Abendmahl":
Das Gemälde entstand in einem Speisesaal (Ambrosiana) eines Klosters, der als besonderer Anbau zwischen dem Kloster und der Kirche St. Maria delle Grazie eingeschoben wurde. Bereits nach 20 Jahren setzten die ersten Verfallserscheinungen ein. Restaurationsarbeiten im Laufe der Jahrhunderte konnten es auch nicht verbessern. Heute kann es nur noch als schwacher Abglanz seiner früheren Herrlichkeit angesehen werden.
Die meisten Menschen sehen in dem Bilde nur eine Darstellung des irdisch-historischen Abendmahles, ohne zu ahnen, dass Leonardo das Bild zugleich gestaltet hat als ein umfassendes kosmisches Symbol himmlischer Sternenweisheit, als Weltabendmahl des Heiligen Grals.
In der Raumgestaltung wird deutlich die Zahl 4 als Viereck betont. Der Raum selber ist viereckig und hat eine von vielen Vierecken gebildete Kassettendecke. Die beiden Seitenwände sind mit je 4 Brokatteppichen behängt. Der langgestreckte viereckige Tisch ruht auf 4 Tragböcken und das Tischtuch ist auch noch durch Vierecke gegliedert. Die Zahl 4 steht nach alter Tradition für die "Erde". Das bedeutet Substanz, Ordnung, System und Verstand. Wir haben 4 Elemente entsprechend der 4 Erz-Engel. Und sie ist die kosmische Ordnung, betrachtet als die zugrunde liegende Substanz, die sich in jeder Form offenbart. Die Zahl 4 symbolisiert auch das Kreuz. Die Köpfe der Jünger bilden eine durch die Mitte des Bildes reichende horizontale Linie. Mit der vertikalen Tür im Hintergrund bildete diese Horizontale ein Kreuz. Im Kreuzpunkt hebt sich von der Helligkeit der Tür die Gestalt Christi ab, die den Mittelpunkt der ganzen Komposition bildet.
Die 5 Tragbalken der Decke, welche in der Längsrichtung des Saales von vorn nach hinten laufen, und die diesen Balken im Fußboden entsprechenden 5 dunklen Bretter haben ihren perspektivischen Treffpunkt in der Stirn des Christus. Das Haupt Christi ist die sonnenhafte Mitte, welche gleichsam in den Raum schöpferisch ausstrahlt. Von dem Christus als dem Weltenlogos geht alles aus und auf ihn zielt alles hin. Die Zahl 5 steht für "Vermittlung". Sie ist die "mittlere Zahl" der Zahlenreihe 1 - 9. Sie bedeutet Regelung und daher Gerechtigkeit, aber auch Versöhnung und Übereinstimmung. Und sie ist die Zahl für den Kosmischen Menschen, dem Adam Kadmon. Im Lebensbaum steht die Saphira für das Christusbewusstsein in der Mitte. Sie heißt Tiphareth oder Beauty (Schönheit) und entspricht dem Planeten Sonne.
Der Oberkörper Christi bildet ein gleichseitiges Dreieck mitten in diesem viereckigen Raum des irdischen Abendmahlsaales. Das gleichseitige Dreieck ist das christliche Symbol der Göttlichen Trinität und des Gottes-Ichs, das sich im Höheren Selbst des Menschen als Liebe, Licht und Leben offenbart. Die 3 Öffnungen im Hintergrund des Saales sind im gleichen Sinn zu deuten. Aus der offenen Landschaft, aus den Weiten des Kosmos, lassen sie das Licht einströmen in den viereckigen, die Erde symbolisierenden Raum. Das Dreieck des Christus mitten im viereckigen Raum weist auf die irdische Inkarnation des Christus-Bewusstseins, die Fleischwerdung des Logos auf Erden, hin. Die Zahl 3 steht auch für geistiges Wachstum,
Erweiterung, Ausdehnung und Erzeugung (Fruchtbarkeit). Im Tarot wird die Fruchtbarkeit durch die Kaiserin (Schlüssel 3) dargestellt. Der Christus bedeutet eine Erweiterung oder ein Wachstum der Menschheit.
Leonardo stellt auf seinem Bild den Augenblick dar, als Christus die Worte gesprochen hat: "Einer unter Euch wird mich verraten". Da kommt Leben in das Bild. Jede Gestalt kann nun gedeutet werden. Christus ist durch das Zurückbeugen der beiden zu seinen Seiten sitzenden Apostel isoliert. Mit seinen gesenkten Armen bildet er ein Dreieck. Die Einfassung seiner Gestalt durch die Tür gibt ihm das lichte Aussehen eines Heiligenbildes. Er senkt den Blick, um niemanden als Verräter zu bezeichnen. Er strahlt eine Ruhe aus inmitten der stürmischen Bewegung seiner Jünger. Mit der Seelenruhe des Weisen weiß er, dass das Böse unlösbar mit dem Getriebe der Welt verknüpft ist und nur ein Gegenpol des Guten bedeutet.
Links von Christus sitzt Johannes, mit ruhig gefalteten Händen in das unabwendbare Schicksal ergeben. Sein Kopf ist zu Petrus geneigt, doch möchte er ihm auf die Frage nach dem Verräter ebenso wenig antworten wie Christus.
Judas verdankt seinem Amt als Kassenverwalter den Ehrenplatz zwischen Petrus und Johannes. Zwischen ihm, der allein in den Schatten gerückt ist, und der Lichtgestalt Christi besteht der bedeutendste Gegensatz innerhalb des Bildes. Seinen rechten Arm hat er bis zur Mitte des Tisches vorgeschoben, er blickt sich voll Trotz und Misstrauen nach Petrus um, gleich einem lauernden Tier, entschlossen, sich zur Wehr zu setzen. Mit seiner lang ausgestreckten und leicht sich hebenden linken Hand kommt er unterdessen, wie durch eine höhere Gewalt getrieben, der Bewegung Christi entgegen (Jesus rechte und seine linke Hand) und verrät sich gerade durch diese unbewusste Gebärde. Er als einziger ist durch ein Symbol, dem Geldbeutel, gekennzeichnet. Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass er mit seinem rechten Arm das Salzfass umgeworfen hat ((Alchemie - Sal, das Salz der Erde). Hinter Judas` Rücken berührt Petrus die Schulter von Johannes und spricht ihm ins Ohr: Johannes soll den Herrn fragen, wer es sei, von dem er gesprochen hat (Johannesevangelium 13, 24). Mit dem Griff des Messers, das er in seiner rechten Hand hält, nähert er sich unwillkürlich der Flanke Judas`.
In der letzten Gruppe links sitzt Andreas, eine einfache Natur, neben seinem jüngeren Bruder Petrus und drückt den höchsten Grad der Verwunderung aus. Aber sein Blick ist unzweifelhaft auf Judas gerichtet, seine Hände sind in Abwehrstellung.
Jakobus der jüngere hat in den Zügen Ähnlichkeit mit Christus, seinem leiblichen Bruder. Indem er über den Rücken des Andreas hinweg die Schulter des Petrus berührt, will er wohl ausdrücken, dass er den Verdacht des letzteren teile.
Bartholomäus am Ende des Tisches ist aufgesprungen und blickt gespannt auf Christus (nach Leonardos eigener Aussage). Seine Beine sind in gekreuzter Stellung.
Rechts neben Christus breitet Jakobus der ältere, das Gegenstück von Johannes auf der anderen Seite, voll Entsetzen beide Arme aus, indem er sich zurückwirft: er kann das Schreckliche nicht glauben. Damit leitet er die stärkere Bewegung ein, die auf dieser Seite des Tisches herrscht.
Thomas ist vom Platz zur rechten des Philippus aufgestanden und hat sich Christus genähert. Er, der Philosoph und Zweifler unter den Aposteln (der ungläubige Thomas), will durch seinen emporgehobenen Zeigefinger der rechten Hand unter Hinweis auf den Himmel wohl besonders deutlich ausdrücken, dass er selbst doch nicht der Verräter sein könne, trotz aller Zweifel.
Philippus macht die beteuernde Gebärde, die Goethe so schön schildert: Herr, ich bin`s nicht!
In der äußersten rechten Gruppe bildet Matthäus die einzige Gestalt, die etwas rhetorisch Absichtliches in ihrer Bewegung hat. Als verbindendes und belebendes Glied des Ganzen wirkt sie unübertrefflich. Seine rechte Hand weist auf Christus, die linke auf Judas. Der Daumen der linken Hand weist ebenfalls auf Christus, der in dieser schwierigen Situation entscheiden soll.
Der greise Thaddäus bildet den Mittelpunkt der 3, die sich darüber unterhalten, wer der Verräter sei. Mit dem Daumen seiner rechten Hand weist er auf Judas, auf den er auch hinschielt.
Simon endlich stellt die ruhige Erwägung des Alters dar.
Wie man das Werk auch betrachtet, man muss in gleicher Weise die Ausbildung der Einzelheiten, wie auch den Aufbau des Ganzen bewundern. Das Bild ist voller Leben und sehr Menschen-ähnlich. Jeder wirkt auf den anderen ein, indem er die Frage, die alle bewegt, auf seine eigene Art und Weise erfasst. Trotzdem ist das Werk eine geschlossene Einheit. Leonardo versteht es, den seelischen Inhalt dieses Gemäldes voll zum Ausdruck zu bringen.
Auffallend ist auch nicht Vorhandenes: obwohl Christus vor der hellen, in die offene Landschaft hineinführenden Tür sitzt, wirft er keinen Schatten (soviel kann man Leonardo schon zutrauen, dass er das absichtlich getan oder nicht getan hat). Er ist die lichteste Gestalt in diesem Bild, Judas hingegen ist die dunkelste. Beide kommen einander durch den ausgestreckten rechten und linken Arm nahe. Da berühren sich Gegensätze. Aber Christi Handgeste deutet auf selbstloses Sichschenken, während die Hand des Verräters den Geldbeutel (Materie) umkrallt und sein Arm das Salzfass umstößt, dadurch sein Wesen offenbart. Christus sagte in der Bergpredigt: "Ihr seid das Licht der Welt! Ihr seid das Salz der Erde"! Das Salz ist ein lichtdurchlässig gewordener Stein, kristallisiert im Vierkant, dem Symbol der Erde und bewahrt das Leben vor Fäulnis (Lebensmittel werden eingesalzen). Judas aber stößt das Salzfass um, d.h. er ist der Gegner des Lichtes, welches das Dunkel der Erde durchdringen will, und der Feind, der das Leben bewahrenden Kraft. Er verbreitet Finsternis um sich und tötet das Leben.
Das sonnenhaft-lichte Antlitz Christi aber strahlt eine erhabene Ruhe aus im Gegensatz zu den erregten Gestalten der Jünger. Er weiß um die Notwendigkeit des Bösen in dieser Welt, weiß um die Notwendigkeit des Judas-Verrates. Er erschrickt nicht vor der Sünde im Menschen, sondern liebt den Menschen auch in seiner Sünde. Denn das ist die höchste auf Erden mögliche Liebe, die göttliche Liebe, die die Tochter der vollkommenen Erkenntnis ist.
Den kosmischen Gehalt von Leonardos Abendmahl verstehen wir erst, wenn wir vertraut sind mit der Symbolik der Astrologie, der großen kosmisch-mikrokosmischen Entsprechungslehre, die in der Renaissance noch alles Denken über das Universum und den Menschen bestimmte.
Wie Paracelsus der Zeitgenosse Leonardos, wie die Künstler und Philosophen der Platonischen Akademie in Florenz war auch Leonardo durchdrungen von der aus der antiken Mysterienlehre heraus geborenen Symbolik des Weltalls. Mensch und Erde waren für ihn lebendige Abbilder des Kosmos. Wie oben, so unten. Aus diesem Grund müssen wir sein Abendmahl aus astrologischer Sicht betrachten. In diesem Bild fand das solare Zwölferprinzip von Kosmos und Mensch seinen geistigen Ausdruck.
Die kosmische Symbolik war in der mittelalterlichen Kunst weit verbreitet. Oft sehen wir da (im Mittelalter) Christus umgeben von den 4 Hauptsternbildern (nach Hermes Trismegistos), andere waren damals noch nicht bekannt, der Sonnenbahn, von Stier, Löwe, Adler-Skorpion und Wassermann-Engelmensch, wie im 4. Kapitel der Johannesoffenbarung und in der Vision des Propheten Hesekiel. Es sind jene kosmischen Symbole, die seit dem 2. Jahrhundert nach Christus auch den 4 Evangelisten zugeordnet werden. In manchen Kathedralen, eher noch in Frankreich, sehen wir Christus umkränzt von den 12 Tierkreiszeichen. An einem der Portale von Notre Dame in Paris ist Maria als kosmische Jungfrau umgeben von den Tierkreis-Bildern und Jahreszeiten. In der Johannesapokalypse werden die 12 Grundsteine des Himmlischen Jerusalems gebildet von den Edelsteinen, die den 12 Tierkreiszeichen zugeordnet sind. Auf diesen Grundsteinen stehen die Namen der 12 Apostel als Repräsentanten der 12 astrologischen Menschentypen und so auch hier auf Leonardos Abendmahl.
Der Künstler gestaltete in diesen 12 Aposteln nicht 12 beliebige Männer, sondern die den 12 Tierkreiszeichen entsprechenden Urbilder des Menschen, welche die ganze Menschheit repräsentiert. Christus aber in der Mitte des 12er-Kreises repräsentiert die Sonne im Tierkreis, den Schöpferlogos und Genius der Menschheit. Die kosmische Bedeutung des Bildes wurde noch besonders dadurch betont, dass früher über dem Original des Abendmahles der Sternenhimmel abgebildet war.
Leonardo ordnet die Apostel entsprechend den 4 Jahreszeiten in 4 Dreiergruppen an. Jede Jahreszeit umfasst 3 Monate. Die 1. Dreiergruppe rechts am Kopf des Tisches gehört zum Frühling, die 2. rechts von Christus zum Sommer, die 3. links von Christus zum Herbst, die 4. am Fußende des Tisches zum Winter.
Vor der Dreiergruppe am Kopfende der Tafel steht ein Teller mit Osterlamm, das seine kosmische Entsprechung im Tierkreiszeichen Widder hat. Vor der Dreiergruppe am Fußende des Tisches sehen wir einen Teller mit Fischen, hindeutend auf das Tierkreiszeichen Fisch, mit dem der Tierkreis endet. Christus selber wird in der Symbolik des Urchristentums sowohl als Widder (Lamm) wie auch als Fisch dargestellt. Er wurde geboren, als nach dem Platonischen Weltenjahr der Frühlingspunkt überging aus dem Widder-Sternbild in das Fisch-Sternbild des siderischen Tierkreises. Christus ist Widder und Fisch, Anfang und Ende, Alpha und Omega.
Außerdem sehen wir auf dem Tisch noch vor jedem Apostel Brot und Wein, die Substanzen des Abendmahls, der himmlischen Lebensspeise, in der Christus sein Fleisch und Blut den Menschen schenkt zu Überwindung des Sündenfalls, und daneben einen Apfel, der uns erinnern soll an den Apfel vom Baume der Erkenntnis und den Verlust des Paradieses.
Bei der Menschengestalt wird auch der Kopf dem Widder, die Füße dem Fisch zugeordnet.
Doch nun zu den Menschentypen. Jede Apostelgestalt spiegelt den Grundcharakter jedes zugeordneten Tierkreiszeichens in Physiognomie und Gestik wider. Die Gestalt des Simon Zelotes aus Kana, der die Kleidung des Essäer-Ordens trägt und am Kopfende der Tafel sitzt, zeigt an Stirn und Nase (Kopf) und in der impulsiven Handgestik deutlich die Aktionskraft des Widders, mit dem der Frühling beginnt. Judas Thaddäus ist mit seinem breiten Hals (Stiernacken) als Stier-Typus charakterisiert und gilt als Bewahrer der geistigen Traditionen. Die geistige Beweglichkeit und Zwiespältigkeit der Zwillinge wird außerordentlich lebendig durch Matthäus dargestellt. Kopf und Hände sind nach verschiedenen Seiten gewendet, wie beim Zwilling-Menschen oft Gedanke und Tat, Idealwelt und Wirklichkeit einander widersprechen. Zwiespältige Naturen erzeugt das Doppelzeichen der Zwillinge, die aber als Vermittler und Redner besonders begabt sind, auch klar denken und gut kombinieren können. So sehen wir hier Matthäus als vermittelnde Gestalt zwischen der 1. und 2. Dreiergruppe der Apostel.
Zum Mond-Zeichen Krebs, dem Tierkreiszeichen der Sommersonnenwende, gehört Philippus. Diese fast weiblich anmutende Apostelgestalt bringt besonders schön die mondhafte Mütterlichkeit des Krebs-Zeichens zum Ausdruck. In der vorgebeugten Körperhaltung, in seinen auf die Brust deutenden Händen prägt sich eine sanfte Milde aus, wie sie dem Krebs-Menschen eigen ist (Brust, Magen = Krebs). Die Haltung der Hände gibt bis in die Geste hinein die graphische Form des Krebs-Tierkreiszeichens wieder. Jakobus der Ältere offenbart das feurige Temperament und die selbstüberzeugte Tatkraft des Löwe-Menschen. Im Löwen herrscht die Sonne und schenkt dem Menschen eine ungebrochene Vitalität und eine starke Willenskraft, die alles in ihren Bann zu ziehen sucht. Solche Menschen suchen andere zu beherrschen und bilden gerne den Mittelpunkt ihres Kreises. Mit weit ausgebreiteten Armen greifen sie in volle Menschenleben hinein, um Erfahrungen zu sammeln und sich selber durchzusetzen. So sehen wir hier Jakobus major (der Ältere) mit weit ausgebreiteten Armen in einer für den Löwe-Menschen typische Haltung (Herz). Von Thomas, dem Zweifler, dem Ungläubigen und kritisch-intellektuell veranlagten Jünger, sieht man auf dem Bild charakteristischerweise nur den Kopf und die erhobene Hand mit dem warnenden Finger. Mit seinem Kopf deckt er die Aussicht in die kosmischen Hintergründe der Landschaft zu. Mit alldem wird die Wesensart der scharf beobachtenden und kritisch abwägenden Jungfrau-Menschen recht gut dargestellt (Verdauung).
Die 3. Dreiergruppe beginnt mit Johannes. Er gehört hier zum Tierkreiszeichen Waage, mit dem der Herbst beginnt. Die reine Harmonie verklärter Herbsttage, wie wir sie oft zur Michaelis-Zeit im September und Oktober erleben, ist charakteristisch für die Waage, in welcher der Liebesplanet Venus sich geistig auswirken kann. Da scheint die Erde für den Himmel transparent zu werden. Zur Klarheit wandelt sich die Welt. Darum ordnet Leonardo den Liebejünger Johannes der Waage zu. Er lebt ganz aus der Liebe, aus dem Herzen heraus. Seinen Kopf neigt er zur Seite und gibt uns im Gegensatz zu Thomas den Blick frei auf die kosmischen Hintergründe der Landschaft. Der zur Seite geneigte Kopf des Liebejüngers deutet darauf hin, dass sein Denken ihn nicht mehr dem niederen Ich verhaftet, dass sein Bewusstsein durch die Liebeskraft geweitet ist ins Kosmische Bewusstsein. Als einziger unter den Jüngern bewahrt er, nachdem das erregende Wort: "Einer unter Euch wird mich verraten" gefallen ist, eine gottgelassene Ruhe und verharrt mit betend gefalteten Händen in stiller, harmonischer Sammlung, während er auf die Worte des Petrus lauscht, der ihn drängt, nach dem Namen des Verräters zu fragen (Gleichgewicht im Körperhaushalt, 2 Nieren). Judas, der als Verräter dem Herrn den Tod bringen wird, gehört zum Todeszeichen Skorpion, das die Sonne im Totenmonat November durchläuft. In seiner Verzweiflung muss er dann Selbstmord begehen (Ausscheidungs- und Geschlechtsorgane). Petrus untersteht dem Schütze-Zeichen, das vom Heils-Planeten Jupiter beherrscht wird. Die schwankende Natur des Schütze-Zeichens, das als Centaur aus Pferde- und Menschengestalt zusammengesetzt ist, prägt sich in Petrus, der den Herrn 3 Mal verleugnet, ebenso aus, wie die starke Glaubenskraft und das unerschütterliche Gottvertrauen des intuitiven und zuweilen prophetisch-hellsichtigen Menschen, der als erster zu Caesarea Philippi in Jesus den Christus erkannte (Hüfte, Oberschenkel, Magen).
Die letzte Dreiergruppe wird von Andreas, dem Bruder des Petrus`, angeführt und er untersteht dem Winter-Sonnenwend-Zeichen Steinbock. Er ist das Gegen-Tierkreiszeichen zum Sommer-Sonnenwend-Zeichen Krebs, das durch Philippus repräsentiert wird. Wie Philippus hält Andreas seine Hände vor die Brust, aber in durchaus gegenteiliger Gestik. Während Philippus in milder Neigung die Arme weiblich eingerollt vor die Brust hält, spreizt Andreas vor seiner Brust die nach außen gewandten Hände abwehrend von sich weg. Der Saturn-Geborene (Saturn ist der Herrscher vom Steinbock) neigt dazu, alles Unrecht von sich abzuwehren und Recht von Unrecht zu scheiden. Er hat einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und einen kühlen, klar schauenden Geist, der Welt und Menschen von oben her betrachtet und hohen Zielen nachstrebt, aber auch zur Melancholie neigt (Skelett, Knie). Jakobus minor (der Jüngere) repräsentiert den Wassermann-Typos. Die eine Hand legt er auf die Schulter des Petrus`, mit dem zusammen er lange Jahre die Urgemeinde in Jerusalem leitete, die andere Hand ruht auf der Schulter des Andreas, der neben seinem Bruder Petrus sitzt. Als Bruder des Herrn gleicht er in seinen Gesichtszügen Christus, und auch das rosenrote Gewand dieses Jüngers soll wohl die Christusähnlichkeit unterstreichen. Das Wassermann-Tierkreiszeichen, zu dem Jakobus der Herrenbruder gehört, wird vom Planeten Uranus beherrscht, der die höhere Oktave zum Denk-Planeten Merkur darstellt, also hohes intuitiv-kosmisches Denken und geistige Schau vermittelt (Unterschenkel, Nervensystem). Bartholomäus-Nathamel am Fußende des Tisches ist aufgestanden, stützt die Hände auf den Tisch und ist lauschend und schauend mit seinem Oberkörper nach vorne geneigt. Als einziger unter den Aposteln überschaut er die Tafel und schließt gleichsam, zu Simon Zelotes hingewendet (Kopf), die Reihe der Apostel zum Kreis zusammen. Von ihm sieht man am deutlichsten die Füße unter der Tafel (Fisch). Seine ganze Gestalt bringt besonders deutlich den Typus des Fische-Menschen zum Ausdruck, der hochgradig sensibel ist und gleichsam mit dem ganzen Körper wahrnimmt und mitfühlt in medialer Aufgeschlossenheit.