Ein Klassentreffen im Banater Bergland

Ende August dieses Jahres sollte es endlich einmal soweit sein, dass ich meine Eltern in das Land begleiten würde, in welchem sie geboren wurden und die ersten Lebensjahre verbracht hatten  – Rumänien.
Ich war schon sehr neugierig darauf und machte mir während der ganzen Hinfahrt Gedanken, was mich dort erwarten würde. Der Anlass dieser Reise war das Klassentreffen meiner Mutter, Mariana, die nach 30 Jahren zum ersten Mal wieder ihr Heimatdorf Steierdorf besuchen würde.
Nachdem wir am 26.August in aller Frühe um 2 Uhr morgens losgefahren waren, kamen wir am späten Abend über die Grenze zu Rumänien. Nãdlac, das erste rumänische Dorf, durch das wir fuhren, bleibt mir durch seine am Straßenrand angebotenen Obst- und Gemüsesorten in Erinnerung. Dieser Teil Rumäniens zeichnet sich für mich durch seine unendlich weite, ebene Landschaft aus: bis zum Horizont waren nur Felder und Weiden zu sehen.
Die erste größere Stadt, die wir erreichten, war Arad. Im Gegensatz zu dem schönen Dorf wurden mir nun durch die teilweise schlecht erhaltenen Straßen und die schlichten, trostlosen Plattenbauten die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Landes bewusst.
Nach Einbruch der Dunkelheit erreichten wir Timisoara, wo wir unsere erste Nacht in Rumänien verbrachten.
Von dort fuhren wir über das transsilvanische Gebirge in den Norden des Landes. Nach einer Nacht im Dracula-Hotel lernte ich den Geburtsort, Bistritza, meines Vaters kennen, sowie die beiden Dörfer, in denen seine Großeltern gelebt hatten – Livezile und Dorolea (Klein-Bistritz), von denen mein Vater mir viele schöne Kindheitserinnerungen erzählt hatte. Für mich war es interessant, diese beiden Orte sowie die ehemaligen Häuser meiner Familie zu sehen.
Nun rückte der Anlass unserer Reise in den Mittelpunkt. Unsere Fahrt ging weiter ins südliche Rumänien. Durch die Erzählungen meiner Großmutter hatte ich eine bestimmte Vorstellung von der Landschaft des Banats: grüne Hügel, Schafherden, Pferde, Ziegen... Meine Erwartungen wurden voll und ganz erfüllt.
Bald darauf erreichten wir Anina. Dort fragte mein Vater zwei Kinder nach dem Weg nach Steierdorf. Diese sagten nur „aici„ – also hier. Meine Mutter hatte ihr Heimatdorf nicht wiedererkannt: „Früher sah alles viel größer aus.„
Während der vier Tage vor dem Klassentreffen konnte ich einen kleinen Einblick in das Dorfleben gewinnen und lernte Freunde und Bekannte meiner Mutter kennen. Für mich war es schön zu sehen, wie sich meine Mutter über dieses Erlebnis freute. Gemeinsam besuchten wir Plätze, an denen sie gern gewesen waren: die Straße Vulturilor, die Unterisch, das Kreuz, die Buhui und die Sommerfrische.
Samstag, den ersten September, fand das Treffen der Klassen 8a und 8b statt. Nicht nur ehemalige Schüler sondern auch einige Lehrer waren gekommen, um diesem Ereignis beizuwohnen. Alle versammelten sich auf dem Platz vor der Schule, um gemeinsam in die Klasse zu gehen. Dort wurden die "Schüler" in der Reihenfolge des alten Klassenbuchs von den Lehrern aufgerufen, um zu erzählen, was aus ihnen geworden war.
Am Abend fand der Ball statt: Eine einheimische Gruppe spielte rumänische Lieder, zu denen ausgelassen getanzt wurde.
Mit jeder Stunde rückte die Abreise näher und am nächsten Tag, nachdem wir den Gottesdienst besucht hatten, nahmen wir Abschied voneinander.
Ein weiteres Bild, das mir ewig in Erinnerung bleiben wird, war eine ältere Dame, die am Straßenrand auf einer einfachen Decke Äpfel zum Kauf anbot. Mein Vater bot der Frau ein Tauschgeschäft an, eine Packung Mineralwasserflaschen gegen ein paar Äpfel, da wir auf dem Heimweg weder rumänisches Geld noch genügend Euros hatten. Nun konnte ich wiederum die Großherzigkeit erleben: Die Frau verlangte für die paar Äpfel keine Gegenleistung.

Dies war der Abschluss einer für mich sehr ereignisreichen und gewinnbringenden Reise.