White Peak Marathon 2013, Derbyshire, UK
Ein einzigartiger Landschaftsmarathon im Mai - neben Locomotion- auch mit Lokomotiven-Feeling
Bericht & Fotos: Peter Meyer
Im Sommer 2010 verbrachten meine Frau und ich zum ersten Mal Urlaubstage im Peak District in Mittelengland in einem von Freunden uns zur Verfügung gestellten Caravan auf einer Milchfarm direkt am High Peak Trail und wir lernten eine der schönsten Landschaften Englands per Mountainbike oder bei Lauftouren zu schätzen.
„Der Peak District ist ein Hochland-Gebiet, das sich in Zentral- und Nordengland befindet. Der Peak District ist das südliche Ende der Pennines. Große Teile des Gebietes liegen über 300 m hoch, der höchste Punkt ist der Gipfel des Kinder Scout mit 636 m. Der Peak District wird traditionell eingeteilt in den "Dark Peak"-Bereich im Norden, der von Mooren und Basalt geprägt ist, und den "White Peak", der von Kalkstein dominiert wird. Der White Peak ist das Gebiet, wo die meisten Menschen leben. Der Peak District insgesamt liegt in der Nähe großer städtischer Ballungsräume wie Manchester, Huddersfield, Leeds, Sheffield, Derby und Stoke-on-Trent. Er erstreckt sich hauptsächlich über Derbyshire. Teile des Peak District liegen auch in Cheshire, Staffordshire sowie South und West Yorkshire. Der größte Teil des Peak District wurde 1951 zum ersten Nationalpark des Landes.“ (Quelle: wikipedia)
Bis 1961 existierten im Gebiet des White Peak zwei Eisenbahnlinien: die ‚Cromford and High Peak Line‘ (schon zwischen 1825 und 1830 erbaut und damit eine der ersten langen Eisenbahnverbindungen der Welt) und die ‚Ashbourne-Buxton Line‘ als Teil der London and Northwestern Railway (1899 eröffnet). Nach ihrer Stilllegung wurden beide Verbindungen 1971 als verkehrsfreie Trails wieder eröffnet. Genutzt werden sie seitdem hauptsächlich von Wanderern, Radlern und Reitern. Sie bieten eine ideale Möglichkeit die wunderschöne grüne Hügellandschaft von Derbyshire auf sich wirken zu lassen.
Bereits seit 1977 veranstaltet der Matlock Athletic Club den White Peak Marathon. Jeweils an einem Samstag im Mai finden sowohl der White Peak Marathon als auch der White Peak Half Marathon statt. Während der Marathon nördlich von Ashbourne auf dem Tissington Trail startet, beginnt der Halbmarthon zur gleichen Zeit auf dem zweiten Abschnitt der Marathonstrecke bei Friden auf dem High Peak Trail. Ziel ist jeweils das Sportgelände des Matlock Rugby Club am Ortsausgang von Cromford.
Die Teilnehmerzahl ist für beide Läufe auf je 200 begrenzt und es lohnt sich, sich frühzeitig - schon zu Beginn der Ausschreibung im Januar - anzumelden.
Unsere Anreise geht per Flug von Nürnberg über Amsterdam nach Manchester und dann per Mietwagen in den White Peak. Hier haben wir ein Zimmer in einem B&B in Wirksworth (3 Meilen von Cromford entfernt) gebucht und dabei mit dem „The Wild Cherry B&B“ die beste Wahl für unseren Geschmack getroffen.
Am Tag vor dem Marathon fahren wir zur Einstimmung zum Matlock AC Sportgelände und hier zeigt sich schon im Vorfeld, was in Runners World zum White Peak Marathon mit ‚low-key race‘ gemeint ist:
Matlock Rugby Club vor dem Marathontag die letzten hundert Meter ins Ziel werden morgen hier gelaufen
Es gibt kein Hinweisschild, keine Anzeichen für eine Marathon-Veranstaltung am nächsten Vormittag. Einzig ein unscheinbarer Pavillon am Wiesenrand. Bekannt ist, dass es auf der Strecke lediglich Wasser und Saft in Abständen angeboten würde und Anfahrtswege für Rettungsfahrzeuge kaum bestünden - ein Grund mehr, warum der Veranstalter mir das Jonglieren während des Laufens nicht erlauben konnte.
Anstelle von Beanbags geht also erstmals die Kamera mit auf die Marathonstrecke …
Das Wetter ist am Tag vor dem Marathon mit 11°C recht kühl und hinzu kommt ein frischer Wind, aber es regnet nicht. Für den Folgetag wird zusätzlich ergiebiger Regen angekündigt. Eine mentale Herausforderung mehr, die die Laune am Vortag nicht gerade zu Höhenflügen führt.
Am Morgen dann 9°C, recht windig, bis zum frühen Morgen hat es geregnet, aber es hat erst mal aufgehört! Aufatmen. Im Vereinshaus des Matlock Rugby Club sind um neun Uhr – mit Start um 11 Uhr an den verschiedenen Punkten für Marathon und Halbmarathon - schon viele Läufer versammelt.
Hier heißt es Startnummern in Empfang nehmen und eine Art Müllsack für das Gepäck, das vom Startpunkt zum Sportgelände zurückgefahren werde und dort dann am Zaun ausgehängt würde. Informationen einholen, wann die Busse zum Startpunkt fahren. Ian Milne, der Veranstalter, begrüßt mich mit „Ah, you are the joggler“ und entschuldigt nochmal, dass er Jonglieren nicht zulassen könne. Ich erfahre, dass es Wasserstationen alle 4-5 Meilen (ca. 7 km) geben werde und dass Uli und ich die einzigen teilnehmenden 'Europeans' vom Kontinent seien.
Gegen zehn Uhr geht es zu den Bussen.
Die gesprächsfreudigen Engländer erzeugen einen belebten akustischen Rahmen während der dreiviertelstündigen Fahrt von Cromford nach Thorpe zum Marathonstartplatz. Es ist trüb, aber der Regen bleibt aus. Dann Aussteigen an einem Wiesenstück und ein paar Schritte zu einem Waldweg und man ist am Startplatz. Umkleiden, in nur kleiner Schlange an den WCs anstehen und die restliche Zeit dichtgedrängt im windgeschützten Bushäuschen verbringen …
Der Hinweis ‚DUCK‘ (anstelle von LUCK, da das Starttransparent so niedrig hängt) zeigt englischen Humor und ebenso ist auch bei der Startaufstellung wenig Anspannung zu spüren. Die meisten sind wohl nicht zum ersten Mal dabei. Man kennt sich. Viele Locals, die für ihren Verein laufen.
Da der Regen ausfällt, kann ich die Kamera erst mal in der Hand halten und ich bin gespannt auf das was vor mir liegt. Ein paar Hinweise von Ian zur Selbstverantwortung der Läufer sich körperlich richtig einzuschätzen, notfalls in der Nähe des Umkehrpunktes zum High Peak Trail bei Parsley Hay auszusteigen (Mile11). Und dann ein kurzes GO! und los geht’s. Uli läuft schneller an als ich in der Regel und so starten wir unabhängig voneinander los.
Eng ist es nur ganz am Anfang, so dass es nicht schwierig ist das eigene Tempo zu finden. Auf den ersten sieben Meilen steigt die Strecke leicht an, das spüre ich wenig. Fordernder ist der Wind der auf freien Strecken frontal entgegenbläst. Auf dem Tissington Trail ist Tissington ein beliebter Zielort für Radfahrer und Wanderer und so kommt der Eine oder Andere auch bei wenig einladendem Wetter hier den Läufern entgegen. Am Rand stehen ab und zu ein paar Leute und klatschen, wenn die Läufer passieren. Meistens sind es heute Angehörige, die ‚ihre Läuferin‘ oder ‚ihren Läufer‘ unterstützen.
Das Läuferfeld zieht sich schnell auseinander. Auf der ehemaligen Eisenbahnstrecke geht es immer wieder unter imposanten Brücken hindurch. Und auch im Grau behält die Landschaft, die - auch hier verspätet - gerade erst ihren Frühling erlebt, ihren Reiz.
Bei etwa Meile 4 hole ich Uli ein die sich gerade in beste Laune gelaufen hat. Die kleinen Schildchen mit Meilenangaben erweisen sich für den Kilometerschilder gewöhnten Läufer als psychologisch sehr wertvoll, da es hiervon ja ‚nur‘ 26 zu bewältigen gilt.
…immer mal geht es durch kürzere Tunnel …
… viel Grün und sanfte Landschaft beruhigen
Ich laufe auf eine Gruppe mit alten Hasen auf, wie ich später erfahre: Roger Biggs vom 100 Marathon Club UK und Michael Grehan von den Dunstable Road Runners, der heute seinen 252. Marathon läuft. Mit Roger komme ich ins Gespräch, als er mein Fürth-Metropolmarathon-Laufhemd erkennt und erzählt, dass er vor einigen Jahren auch in Fürth dabei gewesen sei. Ich solle beim dortigen Marathon im Juni Anita Kinle und vor allem John Dawson von ihm grüßen und wie es dem „man with the hat“ ginge.
Bei Meile 8 die zweite Wasserstation: Die freundlichen Helfer harren bei unwirtlichem Wetter aus.
Mit den Höhenmetern wird es nebliger und das gibt zumindest fotografisch der Strecke einen neuen Anreiz.
Noch mit Roger und Michael zusammen erreiche ich den Durchbruch bei Parsley Hay - einer Station mit Fahrradverleih und Getränkekiosk etc..
Noch eine halbe Meile weiter an Parsley Hay vorbei dann geht es zum Umkehrpunkt auf dem High Peak Trail. Am Umkehrpunkt steht ein schon etwas betagter Marshall und leitet jeden Läufer korrekt um die dortige Mile-11-Marke herum.
Auf dem Rückweg kommt Uli entgegen und dass Küsschen lässt meine Laufbegleiter belustigt mutmaßen, um wen es sich da wohl handeln würde.
Der High Peak Trail zweigt nun Richtung Osten ab – ein spürbares Plus heute, denn der Wind kann nun anschieben. Bald geht es direkt an der Brundcliffe Farm vorbei, wo wir im September 2010 mit dem Caravan unserer englischen Freunde den Ausgangspunkt für Touren hatten. Kurz dahinter dann ein weiteres Überschreiten einer Startlinie. Hier ging es um elf Uhr für die Halbmarathonläufer los.
An der Ziegelei von Friden vorbei kommt man zur einzigen Straßenüberquerung, an der für uns Läufer die Fahrzeuge angehalten werden. Nach Meile 15 geht es nur noch in kleinen Gruppen oder alleine weiter. Oft ist der nächste Läufer nur noch am Ende des Weges und im Nebel auch nur schemenhaft zu erkennen.
Es läuft noch sehr gut für mich und ich genieße die Landschaft. Einzig mein letzter Riegel klebt zäh im Mund und so laufe ich eine Zeitlang mit Riegel in der linken und Kamera in der rechten Hand. Und mit entsprechender Sehnsucht nach der nächsten Wasserstation …
Roger ist schon eine ganze Weile ein kurzes Stück vor mir. Jeder läuft nun für sich selbst. Die Beine werden langsam schwerer und ich hänge mich an einen anderen Läufer an, der in meinem Tempo läuft.
Die Streckenabschnitte hier sind abwechslungsreich und ich befinde mich auf dem Teil der Strecke, den ich 2010 noch nicht erlebt hatte. Neuland ist jetzt gut für die Motivation.
… der längste Tunnel durch den wir ‚Lokomotiven‘ laufen. Am Eingang gibt es nochmal etwas Applaus.
Nach dem Tunnel kommt man nach Middleton Top und hier beginnen die ‚Inclines‘, die steilen An- bzw. Abstiege, auf denen Güterwaggons mit Kohle oder Steinen beladen von stationären Zugmaschinen hinaufgezogen wurden.
Das Fotografieren der Hinweistafel will Leuten, die hier ein Picknick machen, kurz erklärt werden und als sie hören, dass ich aus Germany angereist bin, fragen sie mich, ob sie auch ein Foto von mir machen sollen. Klar, die kurze Stehpause kommt gerade gut.
… letztes Gatter vor dem Abstieg
… jetzt geht’s abwärts
Eine Zugmaschine, wie sie auf den ‚Inclines‘ benutzt wurde, kann hier besichtigt werden.
Der Wald macht den Abstieg reizvoll und zudem hänge ich mich jetzt an die leuchtenden Socken von Fredelina Yong von den Reading Road Runners. Das lange Hinunterlaufen geht auf die Beine und so wechseln Fredelina und ich uns immer mal ab mit der ‚Führung‘.
… knapp drei Meilen ‚Incline‘ …
… ein offensichtliches und an sich harmloses Hindernis, aber mit schweren Beinen und in meinem Fall mit hier beginnendem Krampf in einem Fuß ist doch Aufpassen angesagt. Ich bin nicht alleine mit Schwierigkeiten, wie ich an der Silhouette eines Läufers in Stretching-Pose am letzten Tunnelausgang erkennen kann.
Wir kommen zur High Peak Junction und mein Vorläufer muss auch ein Stück gehen. Es endet hier das Laufen auf dem High Peak Trail und es ist gut, dass an der Junction mit vier Abzweigungen eine Helferin steht, die die Läufer auf den richtigen Weg einweist.
Meinen Fuß habe ich wieder in den Griff bekommen, aber nun krampft es etwas in der Wade, was mich auf der letzten Meile am eigentlich schönen und flachen Abschnitt am Cromford Canal entlang ein ganzes Stück zum Gehen zwingt. Ich laufe zwischenzeitlich wieder an – im Wissen darum, dass ich nun einige Minuten meiner Wunschzielzeit vergebe - aber noch zweimal muss ich kurze Abschnitte gehen.
Dann lese ich das handgeschriebene Schild ‚Nearly Home 26‘ und ich bekomme auf den letzten paar Hundert Meter nochmal Schwung und es geht noch was. Vor dem Abzweig über die Wiese hinunter zum Sportgelände sind schon Stimmen zu hören und auf der Wiese – begleitet von Applaus und ‚Well Done‘-Zurufen – trägt mich die Euphorie. Dann geht es scharf nach rechts und durch den unscheinbaren blauen Pavillon und man ist im Ziel. Yep!
Fredelina ist ein paar Minuten vor mir ins Ziel gekommen und hält schon eine Tasse mit heißem Tee und eine Tüte mit Obst und Keksen in der Hand. Die Tasse mit White Peak Marathon Aufdruck ist das Präsent für alle Finisher, anstelle von Medaille und Urkunde. Wir unterhalten uns noch gut gelaunt über das gegenseitige Anschieben auf den letzten Meilen.
… der Zielbereich
Im ‚Change‘ treffe ich - als Einzige dort - Roger und Michael. Noch ein wenig Smalltalk mit zwei ganz erfahrenen Hasen und als ich dann wieder in den Zielbereich komme, war Uli kurz zuvor ins Ziel gelaufen, genießt ihr Getränk und hat den Gepäcksack schon vom Zaun genommen.
Dear Derby Runners, wir zwei vom Kontinent kommen gerne wieder!