Das Mahl des Herrn ­ Brot des Lebens

Aus: Luthers Großer Katechismus: V. Das Sakrament des Altars

1 So wie wir es bei der heiligen Taufe taten, müssen wir es auch bei diesem zweiten Sakrament tun, nämlich von drei Stücken reden: Was sein Wesen ist, was sein Nutzen ist und wer es empfangen soll. Die Antwort ist den Worten zu entnehmen, mit denen Christus das Sakrament einge-
2 setzt hat; auf sie gründet sich alles, was wir sagen; jeder, der ein Christ sein will und zum Sakrament gehen will, soll sie auch kennen. Denn wir sind nicht gewillt, jene zum Sakrament zuzulassen und es denen zu reichen, die nicht wissen, was sie dort empfangen oder warum sie kommen. Dies sind aber die Worte Christi:

3 Unser Herr Jesus Christus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brach's und gab's seinen Jüngern und sprach: "Nehmet hin und esset; das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Solches tut zu meinem Gedächtnis".

Desselbengleichen nahm er auch den Kelch nach dem Abendmahl, dankte und gab ihnen den und sprach: "Nehmet und trinket alle daraus; dieser Kelch ist das Neue Testament in meinem Blut, das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Solches tut, so oft ihr's trinket, zu meinem Gedächtnis".
1.
4 Auch hier wollen wir nicht den Streit mit den Lästerern und Schändern dieses Sakramentes führen, sondern erstens lernen, worauf es auch bei diesem Sakrament (ebenso wie bei der Taufe) ankommt, nämlich auf Gottes Wort und Ordnung bzw. Befehl. Das ist das Wichtigste. Denn es ist von keinem Menschen erdacht oder eingeführt worden, sondern Christus hat es eingesetzt ohne jemandes Rat oder
5 Veranlassung. Und so wie die 10 Gebote, das Vaterunser und das Glaubensbekenntnis in ihrem Wesen und ihrer Würde bestehen bleiben, auch wenn du nicht betest, nicht glaubst und die Gebote nicht hältst, so bleibt auch dies hochwürdige Sakrament unverändert bestehen, auch wenn wir in unwürdiger Weise mit ihm umgehen. Es kann ihm kein Abbruch getan und ihm nichts genommen werden.
6 Oder meinst du, daß Gott deswegen nach unserm Tun oder Glauben fragt, um von ihnen seine Ordnung abhängig zu machen? Auch in allen weltlichen Dingen bleibt doch alles, wie es Gott geschaffen und geordnet hat, unabhängig davon, wie wir die Dinge gebrauchen und mit
ihnen umgehen. Dies muß man immer wieder betonen. Denn damit kann man am besten das Geschwätz aller
7 Sektierer zurückweisen; denn sie betrachten die Sakramente losgelöst vom Worte Gottes und sehen sie als etwas an, das wir_tun.

Was ist nun das Sakrament des Altars? Antwort: Es ist der
8 wahre Leib und das wahre Blut des Herrn Christus; beides hat uns Christus zu essen und zu trinken befohlen - in und unter dem Brot und Wein. Und wie wir von der Taufe
9 gesagt haben, daß sie nicht gewöhnliches Wasser ist, so sagen wir auch hier: Das Sakrament ist Brot und Wein, aber nicht gewöhnliches Brot und gewöhnlicher Wein, wie man sie zu Tisch aufträgt, sondern Brot und Wein, die in Gottes Wort ,,eingefaßt" und mit ihm verbunden sind. Das
10 Wort, sage ich, ist es, das Brot und Wein zum Sakrament macht und bewirkt, daß es nicht gewöhnliches Brot und gewöhnlicher Wein ist, sondern Leib und Blut Christi ist und heißt. Denn es heißt: "Wenn das Wort zum äußerlichen Element kommt, so wird es ein Sakrament". Dieser Ausspruch St. Augustins ist so zutreffend und gut, daß es kaum einen bessern von ihm gibt. Es ist das Wort, daß das Sakrament zum Sakrament macht. Wo das Wort nicht dazukommt, bleibt es ein bloßes Element. Nun handelt es sich
11 aber nicht um das Wort und die Ordnung eines Fürsten oder Kaisers, sondern, um die der hohen Majestät Gottes, vor dem alle Geschöpfe zu Füßen fallen und bekennen sollten, daß alles so ist, wie er es sagt. Mit aller Ehrerbietung, Ehrfurcht und Demut sollten sie es tun. Dieses Wort kann
12 dich gewißmachen, so daß du sagen kannst: Wenn hunderttausend Teufel mit allen Schwärmern daherkommen und sagen: "Wie können Brot und Wein Leib und Blut Christi sein?" usf., so weiß ich, daß alle klugen Geister und Gelehrten zusammen nicht so klug sind wie die göttliche Majestät im kleinsten Finger. Hier steht das Wort Christi:
13 ,,Nehmet, esset, das ist mein Leib", ,,trinket alle daraus, das ist das Neue Testament in meinem Blut" usf., dabei bleiben wir; und wir wollen doch einmal sehen, wer die sind, die ihn belehren und seine Worte anders verstehen wollen als er sie gesprochen hat. Das ist allerdings wahr:
14 Wenn du das Wort Christi fortnimmst oder von seinem Worte absiehst, hast du. nichts anderes als bloß Brot und Wein. Wenn die Worte Christi aber mit Brot und Wein verbunden bleiben, wie sie es sollen und müssen, so sind sie gemäß seinen Worten Leib und Blut Christi. Denn wenn der Mund Christi etwas redet und spricht, dann ist es so; denn Christus kann nicht lügen und betrügen.
15 Darum kann man nun jene Fragen leicht beantworten, mit denen sich viele jetzt herumquälen, wie z. B. die, ob auch ein "böser" Priester das Sakrament gültig verwalten und reichen kann - und was dergleichen Fragen mehr sind.
16 Wir behaupten und sagen: Auch wenn ein böser Bube das Sakrament reicht oder sich nimmt, so ist es dennoch das rechte Sakrament, d. h. Leib und Blut Christi, ebenso als wenn jemand auf die allerwürdigste Weise mit dem Sakrament umgeht. Denn das Sakrament gründet sich nicht auf die Heiligkeit von Menschen, sondern auf das Wort Gottes. Und ebenso wie kein Heiliger auf Erden, ja kein Engel im Himmel Brot und Wein zu Leib und Blut Christi machen können, so kann auch niemand das Sakrament verändern
17 und verwandeln, auch nicht durch Mißbrauch. Denn um der Person oder um des Unglaubens willen wird das Wort Christi nicht falsch und ungültig, durch das das Sakrament zum Sakrament eingesetzt und gemacht worden ist. Denn Christus spricht nicht: "Wenn ihr glaubt oder würdig seid, dann habt ihr meinen Leib und mein Blut", sondern: ,,Nehmet, esset und trinket, das ist mein Leib und Blut". Ebenso sagt er auch: ,,Solches tut", nämlich das, was ich jetzt tue, einsetze, euch gebe und zu nehmen gebiete.
18 Das bedeutet so viel wie: ,,0b du nun unwürdig oder würdig bist, du hast hier seinen Leib und sein Blut kraft dieser
19 Worte, die zu dem Brot und Wein hinzukommen". Das präge dir nur gut ein und behalte es! Denn unser ganzer Schutz und Schirm gegen allen Irrtum und alle Verführung, die es je gegeben hat und noch kommen mag, gründet sich auf diese Worte Christi.

2.

20 Damit haben wir in Kürze das erste Stück dieses Sakramentes, sein Wesen erläutert. Nun wollen wir auch von der Kraft und dem Nutzen dieses Sakramentes reden, um deretwillen es ja schließlich eingesetzt ist. Auch bei diesem Sakrament ist das das Wichtigste, daß man weiß, was wir
21 in ihm suchen und finden sollen. Das ist nun klar und leicht aus den eben angeführten Worten Christi zu entnehmen, nämlich den Worten: ,,Das ist mein Leib und mein Blut, für euch gegeben und vergossen zur Vergebung der
22 Sünde". Das heißt soviel wie: Deswegen gehen wir zum Sakrament, um dort jenen Schatz zu erhalten, in dem und durch den wir Vergebung der Sünde bekommen. Warum ist das so? Weil die Worte dastehen und uns solches geben. Denn darum läßt Christus mich essen und trinken, damit das Sakrament mein eigen sei und mir als festes Pfand und Zeichen diene - ja, es ist die Sache selbst, die dazu bestimmt ist, meine Sünde und meinen Tod und alles Unglück zu
beseitigen.

Darum wird es auch zu Recht eine Speise der Seele genannt,
23 die den "neuen" Menschen nährt und stärkt. Denn durch die Taufe werden wir neu geboren; aber es bleibt auch noch, wie oben gesagt, der "alte" Mensch mit Fleisch und Blut am Leben; darum gibt es auch so viele Anfechtungen durch den Teufel und die Welt und so vieles, was den Glauben hindert, so daß wir oft müde und matt werden und manchmal auch straucheln. Darum ist uns das Sakrament gegeben, daß es
24 uns zur täglichen Weide und Nahrung werde. Der Glaube soll fest und stark werden, damit wir im Kampf des Glaubens nicht unterliegen, sondern immer stärker werden. Denn das "neue" Leben soll so beschaffen sein, daß es stets
25 zunimmt und voranschreitet. Es muß aber andererseits auch
26 viel erleiden. Denn der Teufel ist ein sehr zorniger Feind. Wo er sieht, daß man ihm entgegentritt und den "alten" Menschen bekämpft und er uns nicht gewaltsam überrumpeln kann. da schleicht er von allen Seiten um uns herum, versucht alles Mögliche und hört nicht eher auf, bis er uns zuletzt müde gemacht hat und man entweder den Glauben aufgibt oder verzagt und unlustig oder ungeduldig wird. Dagegen ist nun dieses Sakrament zur Stär-
27 kung und Tröstung gegeben. Wenn unser Herz jene Versuchungen fühlt und sie uns zu schwer werden, dann können wir hier neue Kraft und Stärke holen.

Hier empören sich wieder unsere klugen Geister mit ihrer
28 großen Gelehrsamkeit und Klugheit und schreien und poltern: ,,Wie können Brot und Wein die.Sünde vergeben oder den Glauben stärken?" Obgleich sie es doch gehört haben und wissen, daß wir dies nicht von jenem Brot und Wein aussagen, die, für sich genommen, eben Brot und Wein sind, sondern wir sagen es von dem Brot aus, das Christi Leib ist, und von dem Wein, der Christi Blut ist; denn sie haben doch die Worte Christi bei sich. Leib und Blut Christi aber und nichts anderes sind ja, so sagen wir, der Schatz, durch den die Vergebung der Sünde erworben ist. Sie wird uns
29 nicht anders als mit den Worten "Für euch gegeben und vergossen" überbracht und zugeeignet. Denn in diesen Worten hast du beides ausgesagt: Daß Brot und Wein Leib und Blut Christi sind und daß sie dir gehören als dein Schatz und Geschenk. Nun kann aber der Leib Christi nichts Unfrucht-
30 bares oder Wirkungsloses sein; er kann nicht ohne Wirkung und Nutzen sein. Doch wie groß auch der Schatz als solcher ist, er muß in das Wort "eingefaßt" sein und muß uns überreicht werden, sonst würden wir nichts von ihm wissen und ihn nicht begehren können.

31 Darum ist auch nichts darauf zu geben, wenn sie sagen, daß Leib und Blut Christi nicht im Abendmahl für uns gegeben und vergossen werden und man deswegen nicht im Sakrament Vergebung der Sünde haben könne. Denn wenn auch das Werk der Versöhnung am Kreuz geschehen ist und dadurch die Vergebung der Sünde erworben ist, so kann sie doch nicht anders als durch das Wort zu uns kommen. Denn was wüßten wir von dem, was am Kreuz geschehen ist, und von dem, was uns dadurch erworben ist, wenn es nicht durch die Predigt oder das verkündigte Wort vorgetragen würde! Woher wissen sie es oder wie können sie die Vergebung annehmen und sich zu eigen machen, wenn sie sich nicht an die Schrift und an das
32 Evangelium halten und ihnen glauben. Nun ist aber das ganze Evangelium und der Glaubensartikel "Ich glaube eine heilige christliche Kirche, die Vergebung der Sünde" usf. kraft jener Worte in dieses Sakrament hineingelegt und wird uns darin angeboten. Warum sollten wir uns denn jenen Schatz aus dem Sakrament herausreißen lassen, zumal sie doch zugeben müssen, daß es eben die gleichen Worte sind, die wir auch sonst im Evangelium hören? Auch werden sie nicht sagen können, daß jene Worte im Sakrament ohne Nutzen sind; ebensowenig wie sie es wagen werden zu behaupten, daß das ganze Evangelium oder Wort Gottes, abgesehen vom Sakrament, ohne Nutzen ist.

3.

33 So haben wir nun das Wichtigste des ganzen Sakramentes besprochen, sein Wesen und seinen Nutzen. Nun müssen wir auch sehen, wer diejenigen sind, die die Kraft und den Nutzen des Sakramentes empfangen. Wie oben bei der Taufe und auch sonst schon oft gesagt worden ist, kann man in aller Kürze darauf antworten:,,Derjenige, der glaubt, was die Worte sagen und was sie mit sich bringen". Denn jene Worte sind nicht zu Holz und Steinen gesprochen, sondern sie sind denen verkündigt, die sie hören können und zu denen Christus spricht: ,,Nehmet und esset" usf.
34 Und weil er Vergebung der Sünde anbietet und zusagt, kann dies nicht anders als durch den Glauben empfangen werden. Solch einen Glauben fordert er selbst, wenn er spricht "für euch gegeben" und "für euch vergossen", so als wollte er sagen: "Darum gebe ich euch meinen Leib und mein Blut zu essen und zu trinken, damit ihr die Vergebung der Sünde annehmt und euch zu eigen macht". Wer sich nun dies gesagt sein läßt und glaubt, daß dies wahr ist, der hat, was die Worte sagen.
35 Wer aber nicht glaubt, der hat nichts. Der läßt sich alles umsonst anbieten, ohne dieses heilbringende Gut zu empfangen. Der Schatz ist für jeden da, er liegt vor jedermanns Tür, ja er ist für jeden auf den Tisch gelegt, aber darauf kommt es an, daß du ihn entgegennimmst und der festen Überzeugung bist, daß wahr ist, was die Worte Christi sagen.

36 Darin besteht die ganze Vorbereitung für den Christen, dieses Sakrament "würdig" zu empfangen. Denn weil uns jener Schatz allein in den Worten Christi vorgehalten wird, kann man ihn nicht anders entgegennehmen und sich zu eigen machen als mit dem Herzen. Denn mit der Faust kann man ein solches Geschenk und solch einen Schatz, der in Ewigkeit bleibt, nicht ergreifen. Fasten und Beten mag
37 wohl eine äußerliche Vorbereitung sein, eine "Kinderübung", damit wir uns zuchtvoll und ehrerbietig Leib und Blut Christi gegenüber verhalten. Aber was uns mit dem Leibe und Blute Christi gegeben wird, können wir mit unserm Leib nicht erfassen noch zu uns nehmen. Es ist unser Herz und der Glaube unsers Herzens, der jenen Schatz erkennt
38 und begehrt. Da sei nun genug zur allgemeinen Unterweisung dieses Sakramentes. Was noch mehr dazu zu sagen ist, mag ein andermal geschehen.

4.

Nachdem wir nun das richtige Verständnis des Sakramentes und die richtige Sakramentslehre dargelegt haben, ist wohl auch eine Ermahnung und Ermunterung nötig, daß man solch einen großen Schatz, der täglich in unserer Mitte ist und unter uns Christen ausgeteilt wird, nicht einfach unbeachtet lassen soll. Wer ein Christ sein will, soll bereit sein, dasHochwürdige Sakrament oft zu empfangen.
40 Denn wir sehen, daß die Haltung dem Sakrament gegenüber bei vielen nachlässig und träge ist. Die Zahl derer ist sehr groß, die zwar das Evangelium hören, die aber, weil das Papsttum mit seinem Zwang, seinen unnützen Zeremonien und Geboten bei uns abgeschafft ist, nun ein, zwei, drei oder noch mehr Jahre ohne Sakrament dahinleben. Als seien sie so starke Christen, die das Sakrament nicht nötig hätten.
41 Einige haben sich dadurch abhalten und abschrecken lassen, weil wir gelehrt haben, daß niemand zum Sakrament gehen soll, ohne Hunger und Durst zu verspüren und von ihnen getrieben zu werden. Andere behaupten, die Teilnahme am Sakrament sei jedem freigestellt und sei nicht notwendig; es genüge, wenn man einfach glaube. Und so kommt es dazu, daß sehr viele ganz roh werden und schließlich beides verachten, sowohl das Sakrament als auch das Wort Gottes.
42 Nun ist wahr, was wir gesagt haben, daß man keinesfalls jemand bedrängen noch zwingen soll, das Sakrament zu empfangen, damit es nicht wieder zu einer neuen Seelenmörderei komme. Aber das soll man wissen, daß jene Leute, die sich so lange Zeit vom Sakrament fernhalten, nicht als Christen anzusehen sind. Denn Christus hat es nicht deswegen eingesetzt, damit man eine Feier zum Zuschauen daraus mache, sondern er hat seinen Christen geboten, daß sie es essen und trinken und seiner dabei gedenken sollen.

43 Diejenigen, die in Wahrheit Christen sind und das Sakrament teuer und wert halten, werden sich wohl selber zu ermuntern wissen; sie werden ohnehin zum Sakrament kommen. Doch um der weniger Unterrichteten und im Glauben schwachen Christen willen, die aber doch gern Christen sein möchten, wollen wir ein wenig davon reden; sie sollen dadurch desto mehr veranlaßt werden, über den Grund und die Notwendigkeit nachzudenken, die sie be-
44 wegen soll, das Sakrament zu empfangen. Auch in andern Dingen, die den Glauben, die Liebe und die Geduld betreffen, genügt es ja nicht, allein zu lehren und zu unterrichten, sondern man muß auch täglich ermahnen. Ebenso ist es auch hier nötig, nicht im Ermahnen nachzulassen, damit man nicht nachlässig und des Sakramentes überdrüssig werde; denn wir wissen und spüren es, wie der Teufel sich dem Sakrament und allem Christlichen stets widersetzt und, soweit er's vermag, Menschen davon abzubringen sucht.

45 Erstens haben wir nun die klare, eindeutige Aussage in den Worten Christi: "Das tut zu meinem Gedächtnis". Das sind Worte, die uns etwas befehlen und gebieten: Denen, die Christen sein wollen, wird hiermit geboten, das Sakrament zu empfangen. Wer darum Christi Jünger sein will ­ mit solchen redet er ja hier ­, der denke daran und halte sich zum Sakrament, nicht aus Zwang, weil Menschen ihn bedrängen, sondern um Christus zu gefallen und ihm zu
46 gehorchen. Wenn du aber sagst: "Es steht doch da: ,,So oft ihr's tut"; damit zwingt er ja niemand, sondern stellt es
47 jedem frei", so antworte ich: "Das ist wahr, aber das heißt nicht, daß nicht es überhaupt nicht tun soll; gerade weil er die Worte spricht ,,So oft ihr's tut", ist damit inbegriffen, daß man es oft tun soll; es ist aber deswegen hinzugefügt, weil er das Sakrament frei haben wollte, nicht gebunden an eine bestimmte Zeit, wie das Essen des Passahlammes bei den Juden, das sie jedes Jahr nur einmal essen durften (und zwar genau am Abend des 14. Tages nach dem ersten Vollmond, wobei sie keinen Tag überschreiten durften). Als ob Christus damit sagen wollte: "Ich ordne für euch ein Passahfest bzw. ein Abendmahl, das ihr nicht nur einmal, an diesem Abend des Jahres feiern sollt, sondern ihr sollt es oft tun, wann und wo ihr wollt, ganz nach eines jeden Gelegenheit und Wunsch; an keinen Ort und keine bestimmte Zeit gebunden"- 48 obgleich später der Papst dies in das Gegenteil verkehrt hat und wieder ein "Judenfest" daraus gemacht hat.

49 So siehst du, daß das Sakrament nicht in dem Sinne in unsere Freiheit gestellt ist, daß man es auch verachten dürfte. Denn das nenne ich eine Verachtung des Sakramentes, wenn man so lange Zeit vergehen läßt und es nicht begehrt, ohne daß irgendein Hinderungsgrund besteht. Ist dir nach solch einer Freiheit zumute, dann nimm dir doch lieber gleich die Freiheit, überhaupt kein Christ zu sein; dann brauchst du auch nicht zu glauben und zu beten. Denn dies ist ebenso Christi Gebot wie jenes. Willst du aber ein Christ sein, so mußt du jedenfalls hin und wieder diesem Gebot Folge leisten und gehorchen.
50 Solch ein Gebot aber sollte dich vielmehr bewegen, in dich zu gehen und dich zu fragen: "Was bin ich eigentlich für ein Christ? Wäre ich einer, so müßte ich mich doch ein wenig danach sehnen, das zu tun, was mein Herr befohlen hat".
51 Es ist wahr, weil wir uns dem Sakrament so ablehnend gegenüber verhalten, spürt man deutlich, was für Christen wir unter dem Papsttum gewesen sind; aus lauter Zwang und aus Furcht, ein von Menschen gemachtes kirchliches Gebot zu übertreten, sind wir hingegangen, ohne Lust und Liebe und ohne auf das Gebot Christi zu achten.
52 Wir aber zwingen und bedrängen niemand. Es soll auch niemand nur uns zu Gefallen zum Sakrament gehen. Das aber soll dich bewegen und innerlich zwingen, daß es Christus gefällt und er es haben will. Von Menschen soll sich niemand zum Glauben, noch zu einer guten Tat nötigen lassen. Wir tun nicht mehr, als daß wir sagen und ermahnen, was du tun sollst - nicht um unsertwillen, sondern um deinetwillen. Christus lädt dich freundlich ein - willst du es verachten? Du hast es selber zu verantworten.

53 Das ist das erste, was insbesondere den kalten und nachlässigen Christen gilt, damit sie über sich selber nachdenken und sich selber wachrütteln. Denn das ist gewiß wahr - ich habe es selbst erfahren, und jeder wird es bei sich genauso finden -, daß man von Tag zu Tag roher und kälter wird und schließlich den Glauben in den Wind
54 schlägt, je mehr man sich vom Sakrament fernhält. Andernfalls aber, wenn man zum Sakrament geht, muß man sich in seinem Herzen und Gewissen immer wieder die Frage stellen, wie es um einen steht, und man verhält sich dann wie einer, der gern möchte, daß sein Verhältnis zu Gott in Ordnung ist. Je mehr dies aber der Fall ist, um so mehr wird das Herz erwärmt und entzündet, so daß es nicht
55 erkalten kann. Wenn du aber sagst: "Was soll ich tun, wenn ich fühle, daß ich nicht in der rechten inneren Verfassung bin, das Sakrament zu empfangen?" Antwort: Das ist auch meine Anfechtung; sie kommt noch aus der alten Zeit unter dem Papsttum her, da hat man sich so gequält, um ganz rein zu sein, damit Gott auch nicht den geringsten Makel an einem finden möchte. Dadurch wurde man so ängstlich, daß man sich immer gleich voller Schrecken angeklagt und gesagt hat: ,,0 weh, ich bin nicht würdig, das Sakrament
56 zu empfangen". Und so fangen Natur und Vernunft an, unsere Unwürdigkeit gegen das große teure Gut des Sakramentes zu halten; und da stellt sich heraus, daß wir wie eine finstere Laterne gegenüber der hellen Sonne sind oder wie Mist im Vergleich zu Edelsteinen. Und dann, wenn man das erkennt, will man nicht zum Sakrament kommen und wartet, bis man in der rechten inneren Verfassung ist - von einer Woche zur andern und von einem halben Jahr
57 zum nächsten. Wenn du dein Kommen davon abhängig machen willst, wie fromm und rein du bist, und wenn du dann noch dies erreichen willst, daß dich nichts mehr anficht, dann wirst du niemals zum Sakrament kommen können.

58 Deswegen muß man hier bei den Leuten einen Unterschied machen: Den Spöttern und Gottlosen soll man sagen, daß sie sich vom Sakrament fernhalten sollen, denn sie sind unfähig, die Vergebung der Sünde zu empfangen; sie begehren sie ja auch nicht und wollen auch nicht gern fromm
59 sein. Die andern aber, die nicht zu den rohen und gottlosen Leuten gehören, sondern gerne fromm sein möchten, sollen sich nicht vom Sakrament fernhalten, auch wenn sie sonst im Glauben schwach und angefochten sind. So hat es auch St. Hilarius gesagt: "Wenn eine Sünde nicht derart ist, daß ihretwegen jemand aus der Gemeinde ausgeschlossen und für einen Unchristen gehalten werden müßte, soll man dem Sakrament nicht fernbleiben, damit man sich des Lebens nicht beraube".
60 Denn niemand wird es in seinem Leben soweit bringen, daß er von täglichen Schwachheiten und Gebrechen frei sein wird.

61 Darum sollen jene Leute lernen, daß alles darauf ankommt zu wissen, daß das Sakrament nicht mit unserer Würdigkeit steht und fällt. Denn wir lassen uns auch nicht als Menschen taufen, die würdig und heilig sind; wir kommen auch nicht zur Beichte, als seien wir rein und ohne Sünde. Das Gegenteil ist der Fall: Wir kommen als arme, elende Menschen und eben deswegen, weil wir unwürdig sind. Anders verhält es sich, wenn jemand gar keine Gnade und Absolution begehrt und sich auch nicht zu bessern gedenkt.
62 Wer aber nach Gnade und Trost Verlangen hat, soll sich selber ermuntern, zum Sakrament zu kommen und sich durch niemand davon abhalten lassen. Er soll vielmehr sagen: "Ich möchte wohl gern würdig sein, aber ich komme nicht auf Grund meiner Würdigkeit, sondern weil du es gesagt und befohlen hast; und ich komme als jemand, der gern dein Jünger sein möchte; meine Würdigkeit mag sein, wie sie ist".
63 So zu sprechen ist aber schwer, denn von Natur sehen wir mehr auf uns selber als auf das, was Christus spricht; diese unsere Eigenart stellt sich uns immer in den Weg und hindert uns daran, so zu sprechen. Denn von Natur möchten wir so handeln, daß wir uns immer auf uns selber verlassen können; wo wir es nicht können, da machen wir nicht mehr mit. - Dies sei nun genug von diesem ersten Punkt.

64 Zweitens gibt es, wie wir oben gehört haben, außer dem Gebot auch eine Zusage, die uns auf das allerstärkste bewegen und veranlassen soll, zum Sakrament zu kommen. Denn da stehen die freundlichen, herrlichen Worte: "Das ist mein Leib, für euch gegeben", "Das ist mein Blut, für euch vergossen zur Vergebung der Sünde".
65 Diese Worte sind, wie ich gesagt habe, keinem Stock und Stein gesagt, sondern mir und dir, denn sonst hätte er ebensogut stillschweigen und kein Sakrament einzusetzen brauchen. Darum denke auch du dich in das "Euch" hinein, mache dir klar, daß du mitgemeint bist und laß Christus nicht umsonst zu dir reden.
66 Denn hier bietet er uns allen den Schatz an, den er uns vom Himmel gebracht hat; außerdem lädt er uns aufs allerfreundlichste ein, wenn er spricht (Matth. 11, 28): ,,Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch. Erquicken".
67 Nun ist es eine Sünde und Schande, daß er uns so herzlich und treu auffordert und ermahnt, unser höchstes und bestes Gut wahrzunehmen, und wir verhalten uns ablehnend und leben solange dahin, bis wir ganz erkaltet und verhärtet sind und keine Lust
68 und Liebe mehr zum Sakrament haben. Man muß das Sakrament doch nicht als etwas Schädliches ansehen, vor dem man weglaufen müßte, sondern als eine sehr heilsame, tröstliche Arznei, die dir hilft und dir Leben schenkt für Seele und Leib. Denn wo die Seele genesen ist, da ist auch dem Leibe geholfen. Wie stehen wir eigentlich zum Sakrament ­? Als ob es ein Gift sei, durch das man sich den Tod holt?

69 Das ist wohl wahr: Die das Sakrament verachten und unchristlich leben, nehmen es sich zum Schaden und zur Verdammnis. Denn für sie soll nichts gut und heilsam sein, so wenig es für einen Kranken gut ist, wenn er aus Mutwillen ißt und trinkt, was ihm vom Arzt verboten ist.
70 Aber jene, die ihre Schwachheit fühlen, sie gern los sein möchten und Hilfe begehren, sollen das Sakrament nicht anders ansehen und gebrauchen, als sei es ein köstliches Gegengift gegen jene Gifte, die sie in sich selber haben. Denn hier im Sakrament sollst du aus Christi Mund Vergebung der Sünde empfangen und mit ihr zugleich Gottes Gnade und Geist mit allen seinen Gaben, mit seinem Schutz und Schirm und seiner Macht über Tod, Teufel und alles Unglück. Denn dies alles bringt Gottes Vergebung mit sich.

71 So hast du nun im Blick auf Gott zwei Gründe, um zum Sakrament zu kommen: Das Gebot und die Zusage des Herrn Christus. Außerdem soll dich, im Blick auf dich selbst, deine eigene Not, die du mit dir herumschleppst, zum Kommen bewegen. Denn um ihretwillen hat Gott jene Einladung und Zusage und jenes Gebot, zum Sakrament zu kommen, gegeben. Denn er sagt selbst: "Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken", d. h. diejenigen, die von Sünde, Todesfurcht, Anfechtung des Fleisches und Teufels beschwert sind und bedrückt werden.
72 Wenn du dich nun belastet fühlst und deine Schwachheit spürst, dann gehe fröhlich zum Sakrament hin und lasse
73 dich aufrichten, trösten und stärken. Denn wenn du warten willst, bis du das alles los sein wirst und du rein und würdig zum Sakrament kommen kannst, dann wirst du ewig fernbleiben müssen. Und dann fällt Gott das Urteil und spricht:
74 "Wenn du rein und fromm bist, so bedarfst du meiner nicht und ich deiner nicht". Darum sind allein diejenigen unwürdig zu nennen, die ihre Gebrechen nicht fühlen noch Sünder sein wollen.
75 Wenn du aber sagst: "Wie soll ich mir denn helfen, wenn ich diese Not nicht fühle noch Hunger und Durst zum Sakrament empfinden kann"? Antwort: Denen, die so empfinden, daß sie nichts fühlen, weiß ich keinen bessern Rat zu geben als den, daß sie bei sich Einkehr halten und sich fragen mögen, ob sie auch Menschen von Fleisch und Blut sind. Wenn du das bejahen mußt, dann vertiefe dich doch, dir zugut', in den Brief des St. Paulus an die Galater und höre, was du für ein Früchtchen bist: ,,Offenbar sind aber, so sagt er, die Werke des Fleisches, als da sind: Unzucht, Unreinigkeit, Ausschweifung, Götzendienst, Zauberei, Feindschaft, Hader, Eifersucht, Zorn, Zank, Zwietracht, Spaltungen, Neid,Saufen, Fressen und dergleichen".
76 Darum: Wenn du es schon nicht fühlen kannst, dann glaube doch der Schrift; sie lügt dich nicht an; sie kennt dich besser als du dich selber kennst. Ja, St. Paulus zieht im Brief an die Römer (7,18) sogar folgenden Schluß: "Denn ich weiß, daß in mir, das ist in meinem Fleische, wohnet nichts Gutes". Wenn schon St. Paulus so von sich und seinem Fleische redet, wollen auch wir nicht besser und heiliger sein.
77 Daß wir das aber nicht fühlen, ist nur um so schlimmer. Denn es ist ein Zeichen dafür, daß es ein ,,aussätziges" Fleisch ist, das wir an uns tragen, weil es nichts empfindet und doch wütet und um sich frißt.
78 Doch, wie gesagt, wenn du so ganz und gar erstorben bist, dann glaube doch der Schrift, die jenes Urteil über dich spricht. Kurz, je weniger du deine Sünde und deine Gebrechen fühlst, um so mehr Grund hast du, zum Sakrament zu gehen, um dort Hilfe und Arznei zu suchen.

79 Zweitens, frage dich doch einmal, ob du überhaupt noch in der Welt lebst! Wenn du es nicht weißt, frage deine Nachbarn danach. Lebst du aber in der Welt, dann meine nicht, daß es an Sünde und Not fehlen werde. Denn fange nur an, fromm zu werden und beim Evangelium zu bleiben, und mache keinen Hehl daraus - und du wirst sehen, wie viele dir feind sein werden, wie viele dir auch Leid, Unrecht und Gewalt antun und dir auch zur Sünde und zum Bösen Anlaß geben werden. Wenn du es nicht erfahren hast, so laß es dir von der Schrift sagen, die der Welt immer wieder solch ein Zeugnis ausstellt.

80 Im übrigen wirst du ja auch den Teufel um dich haben; ihn wirst du nicht ganz und gar niedertreten können; selbst unser Herr Christus hat ihm nicht aus dem Wege gehen können.
81 Was ist nun der Teufel? Nichts anderes als was ihn die Schrift bezeichnet - ein Lügner und ein Mörder. Ein Lügner ist er, der das Herz des Menschen zu verführen und von Gottes Wort fortzuziehen und dich zu verblenden sucht, daß du deine Not nicht erkennst noch zu Christus kommen kannst. Ein Mörder ist er, der dir keine Stunde deines Lebens gönnt.
82 Wenn du sehen könntest, wie viele Messer, Spieße und Pfeile alle Augenblicke auf dich gezielt werden, du würdest froh sein, wenn du zum Sakrament kommen könntest, so oft es geht. Daß man aber so sicher und nachlässig dahinlebt, liegt daran, daß wir es nicht wahrhaben und darüber nachdenken, daß wir "im Fleisch" leben und in der bösen Welt und mitten im Reich des Teufels sind.

83 Darum prüfe es nach und bringe es in Erfahrung, gehe nur in dich selber und siehe dich ein wenig um und halte dich nur an die Schrift. Fühlst du auch dann noch nichts, so hast du desto mehr Grund, dies vor Gott und auch vor deinem Bruder zu beklagen. Laß dir von ihm raten und laß für dich bitten und höre damit nicht auf, bis dein zu Stein verhärtetes Herz weich wird. 84 Dann wirst du dein Elend erkennen und gewahr werden, daß du doppelt so tief gefallen bist als wie andere arme Sünder und daß du das Sakrament viel nötiger brauchst, um aus dem Elend herauszukommen, das du leider gar nicht erkennst. Vielleicht gibt Gott Gnade, daß du es mehr fühlst und nach dem Sakrament immer hungriger wirst. Denn der Teufel, er setzt dir zu und stellt dir ständig nach. Er will dich in seine Gewalt bekommen und dich um Leib und Seele bringen; keine Stunde kannst du vor ihm sicher sein. Wie schnell könnte er dich, wenn du es am wenigsten erwartest, plötzlich in Jammer und Not bringen?

85 Das sei nun zur Ermahnung gesagt, nicht allein für uns Erwachsene und Große, sondern auch für das junge Volk, das man in der christlichen Lehre und im christlichen Geist erziehen soll. Denn auf diese Weise könnte man desto leichter die zehn Gebote, den Glauben und das Vaterunser in die Jugend bringen, so daß sie dies alles mit Lust und Liebe lernten und sich so von Jugend auf darin übten und daran gewöhnten.
86 Denn mit den Alten ist es nun schon fast zu spät. Will man die christliche Lehre und anderes erhalten, muß man die Jugendlichen darin erziehen, die nach uns kommen und die einmal in unsere Arbeit und Aufgaben eintreten sollen. Sie sollen auch wieder ihre Kinder christlich erziehen, damit Gottes Wort und die Christenheit erhalten werde.
87 Darum soll jeder Familienvater wissen, daß er nach Gottes Gebot und Befehl schuldig ist, seine Kinder das zu lehren oder lernen zu lassen, was sie wissen sollen. Denn weil sie getauft und in die Christenheit aufgenommen sind, sollen sie auch an der Gemeinschaft des Sakramentes teilhaben, damit sie uns dienen und nützlich sein können. Denn sie müssen uns doch alle helfen ­ zu glauben, zu lieben, zu beten und gegen den Teufel zu kämpfen.

Nikodemuskirche München-Schwabing (Alte Heide)

Für den Inhalt verantwortlich: Evangelisch-Lutherisches Pfarramt Nikodemuskirche, Rheinlandstraße 4, D-80805 München, Pfarrer Manfred Staude

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Letzte Änderung: 09.03.2005