Predigt gehalten zu Grosspold / Siebenbürgen

am 11. Sonntag nach Trinitatis 2004

Grundlage: Brief des Paulus an die Kolosser 4, 2 ­ 6

Pfarrer Manfred Staude

Predigttext Brief des Paulus an die Kolosser 4, 2 ­ 6

"Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! Betet zugleich auch für uns, daß Gott uns eine Tür auftue und wir das Geheimnis Christi sagen können, um dessentwillen ich auch in Fesseln bin, da-mit ich es offenbar mache, wie ich es sagen muß.
Verhaltet euch weise gegenüber denen, die draußen sind, und kauft die Zeit aus. Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt, daß ihr wißt, wie ihr einem jeden antworten sollt." Kol. 4, 2-6

Wer hätte gedacht, daß der Junggeselle Paulus etwas vom Kochen versteht? Er nennt uns das wichtigste Gewürz, das Salz! Salz ist noch viel wichtiger als der begehrte Zucker. Viele gute Speisen lassen sich ohne Zucker zubereiten, aber wehe, der Koch oder die Kö-chin hat das Salz vergessen! Sofort geht ein Zug der Enttäuschung über die Gesichter nach dem ersten verheißungsvollen Bissen. Salz ist wesentlich, Salz macht das gewisse Etwas und bringt den Geschmack erst zur Geltung. Sogar ein süßer Kuchen braucht noch eine Prise Salz, damit er so richtig gut schmeckt. Zu viel Salz darf es nicht sein, aber ohne Salz ist die ganze Kochkunst nichts.
Die Sachsen und die Landler verstehen viel von Gast-lichkeit. Wenn sie zusammen sind, und sie sind oft zu-sammen, dann gibt es etwas Gutes zu speisen, und et-was Interessantes zu erzählen und viel Grund zum La-chen und Fröhlichsein. Es ist immer schön und erhe-bend, wenn viele Gäste gekommen sind. Und das Salz wird nicht fehlen, bei den Speisen nicht und nicht in den Gesprächen.
Einst wurde ein Pfarrer im schottischen Hochland zu einer Bauernhütte gerufen. Sie war sehr weit abgele-gen. Ein Kind war dort zur Welt gekommen und sollte getauft werden. Als der Pfarrer nach dem anstren-genden Fußmarsch endlich ankam, fragte er den Bauern: "Und, seid ihr auch gut vorbereitet?" "Aber sicher," sagte der Bauer, "den saftigsten und den schwersten Schinken habe ich schon aus dem Rauch geholt."
Prima, sagte der Pfarrer, aber ich meinte, ob ihr auch geistig gut vorbereitet seid. "Und wie!" antwortete der Bauer sofort. "Drei Liter zehnjährigen Whiskey habe ich besorgt. Das wird auf jeden Fall reichen."
Der Bauer hat es ja gut gemeint. Und für ein Festessen hat er auch gut vorgesorgt. Aber er hat nicht begrif-fen, daß es noch höhere Werte gibt, als nur die äuße-ren Dinge.
Die Deutschen in Siebenbürgen wissen seit vielen Jahrhunderten vom Wert der geistigen Fundamente. Sie haben aus freien Stücken den evangelischen Glau-ben angenommen und überzeugt bewahrt. Die Landler haben für ihren evangelischen Glauben sogar die ursprüngliche Heimat und den Besitz zurückge-lassen. Und hier in den Gemeinden sind die Kirchen von Anfang an die Zentren der Dörfer und Städte ge-wesen. Und bei allem Bewahren ist das Gemeinwesen lebendig geblieben und nicht in überstrenger Fröm-migkeit erstarrt. Man muß ja nicht verbissen sein, wenn man an Bewährten festhält, es kann auch aus Überzeugung und mit Freude geschehen.
Paulus hätte gut nach Siebenbürgen gepaßt! Das blü-hende kirchliche Leben, in Einklang mit der Kultur, es ist ja auch eine Frucht des Wirkens von Paulus. Da ist Gemeinde als ein Leib ernstgenommen, wo sich alle mitfreuen, wenn sich einer freut und alle mitleiden, wenn einer leidet.
Die Worte, die wir heute von Paulus gehört haben, schrieb er im Gefängnis. Es hat seinen Grund, warum Paulus im Gefängnis sitzt. Er ist nämlich ein Sturkopf. Er weiß, was er will und soll, und davon läßt er sich nicht abbringen. Durch nichts in dieser Welt. Er wur-de ausgepeitscht, mit Steinen fast zu Tode geworfen, dann eingesperrt, er bleibt stur. Wenn es um das Ei-gentliche geht, wenn es darauf ankommt, dann ist die Sturheit eine Gottesgabe.
Es geht um das Eigentliche. Es geht um die Verwurze-lung in Gott. Es geht um die Gemeinschaft der Chris-ten, daß einer für den anderen einsteht. Es geht um den Auftrag der Christen in dieser Welt: Wir haben et-was mitzuteilen, ein Geheimnis, das froh macht und rettet aus Angst, Verzweiflung und Schuld: Diese Freude, dieser Trost ist nur im Glauben zu finden, im Vertrauen auf Jesus Christus.
Daran hält Paulus fest, ohne einen Abstrich zu machen, da ist er stur. Gut so. Da ist er wesensverwandt mit den Deutschen in und aus Siebenbürgen. Auch sie haben festgehalten an der Überlieferung, an den Werten.
In der letzten Zeit ist es damit schwieriger geworden. Viele leben zerstreut, die Entwicklung geht überall mit Siebenmeilenstiefeln voran. Der Einzelne verliert sich eher. Die große Masse geht andere Wege. Da kommt die Versuchung, sich zu sehr anzupassen, so sein zu wollen, wie andere sind. Eine gewisse Anpas-sung muß ja sein. Es geht nicht darum, aus Trotz und Stolz alles anders zu machen. Die große Kunst besteht darin: sich unter neuen Umständen so zu verändern, daß die alten Anliegen und Absichten bewahrt blei-ben. Krampfhaft am Alten festhalten kann bedeuten, es auf Dauer zu verlieren. Das Alte aber einfach weg-werfen, ist die größte Dummheit. Die Gegenwart wach zu analysieren und neue Wege zu finden, um die alten Werte zu bewahren, das ist der goldene Weg.
Paulus weist uns hin auf die Klugheit, die Weisheit. Ich muß wissen, was mich trägt, was gut und was böse ist, was richtig und was falsch ist. Orientierung ist nötig.
Wenn ich das weiß, dann kann ich klug handeln. Klar, daß nicht alle so denken wie ich. Klar, daß viele gar wenig mit Glauben anfangen können. Glauben steht dem modernen Lebensstil oft im Weg.
Paulus spricht deshalb vom Festhalten an Gott. Es ge-schieht durch das regelmäßige Gebet zu Gott. Mit Gott zu sprechen, schärft meine Wahrnehmung, dann merke ich, was los ist in der Welt. Wer betet, läßt sich nicht so leicht etwas vormachen.
Paulus spricht auch vom Auskaufen der Zeit. Wir ha-ben ja nur ein gewisses Maß an Zeit. Schneller als wir denken, werden wir alt, die Kräfte lassen nach. Ich muß wissen was wichtig ist und dafür meine Zeit rich-tig einsetzen, so komme ich zu was. Das geht gegen die Gewohnheit, sich zerstreuen zu lassen in der Freizeit. Verräterisch ist das Wort Zeitvertreib: Zeit wird fortgetrieben, als hätten wir zu viel an Zeit. Und der Zeitvertreib ist nicht weit entfernt vom Zeit tot-schlagen. Wie furchtbar, wenn die Zeit mein Totfeind ist. Die Zeit ist wertvoll und es gilt sie zu schätzen und zu nutzen.
Paulus spricht von der höchsten Aufgabe, die über Hausbau, über Zukunftssicherung über Genuß und Feier hinausgeht: Daß den Menschen ein Licht auf-geht, warum sie in dieser Welt sind, daß es eine tie-fere Freude und Zufriedenheit gibt, die auf den Glau-ben an Jesus Christus gegründet ist. In dieser Glau-bensbeziehung sind wir geliebt, angenommen. Wir müssen nicht erst etwas bringen, etwas beweisen. Er liebt uns und schenkt uns eine ewige Heimat, Gebor-genheit in Zeit und Ewigkeit. Das entspricht nicht dem Trend dieser Zeit: Heute hören wir: "Bleib mir bloß mit Gott vom Leib, das ist doch langweilig, das bringt doch nichts."
Auch Paulus hat schon ganz deutlich gemerkt, daß die Christen sich von der normalen Welt unterscheiden, daß sie eine Gesellschaft für sich bilden. Sie halten zusammen, beten füreinander, teilen die Nöte. Sie bleiben auch in der Not beieinander.
Je enger eine Gemeinschaft lebt und je besser das Gemeinschaftsleben gedeiht, um so mehr fühlen sich allerdings auch andere ausgeschlossen. Das ist kein böse Absicht, es liegt in der Natur der Sache. Wenn ein Fest gefeiert wird und ich bin nicht dabei, irgendwie schade. Manchmal kommt sogar Neid auf: Warum ha-ben die es so gut.
Paulus weiß: Wir gehören als Christen zur Gemein-schaft. Wir sind drinnen, die anderen sind draußen, die anderen, die nichts von dem Grund unserer Freu-de wissen. Aber das ist keine feste Grenze für immer und ewig. Im Gegenteil. Aus draußen kann ganz schnell drinnen werden. Die Türen sind zum Öffnen da.
Sich gegenseitig bereichern und das Wertvolle teilen, nicht ängstlich für sich behalten, das ist es! Die Kirche, die Gemeinde hat Türen, die zum hineinkommen sind. Sie sind nicht zugesperrt. Diese äußeren Türen sind auch gar nicht das Problem. Die Worte von Jesus müssen zuerst eine Tür im Herzen der Menschen fin-den, dann öffnen sich auch die anderen Türen.
Wie öffnen sich Türen zu Menschen? Durch Gebet und durch freundliches Verhalten und durch Einfühlen in den anderen. Wir sollen Menschen, die anders denken und anders glauben, nie feindlich betrachten. Auch die sind von Gott geliebt, so wie auch ich von Ewigkeit her geliebt bin. Oft genug ist ja auch mir die Liebe Gottes völlig egal gewesen.
Allezeit seid freundlich und langweilt die Leute nicht mit endloser Rederei. Hört auf die Fragen der Leute. Sogar manches Schimpfen und viele Angriffe sind hintergründige Fragen. Ich soll nicht gleich beleidigt sein, wenn jemand nicht meiner Meinung ist. Der will was wissen, der will testen, ob ich wirklich freundlich bin, oder nur so tue.
Was ist eigentlich Toleranz, wurde einmal der Sepp, ein katholischer Bayer gefragt. Der Sepp antwortet: "Wenn du dir von einem Lutherischen a Maß Bier zahlen laßt."
Das ist schon ein kleiner Anfang von Toleranz. Es könnte auch noch mehr werden. Und aus einer ehrli-chen Toleranz kann sogar Liebe wachsen.
Gott hat die Sünde in dieser Welt ja nicht nur ertra-gen, er hat darunter gelitten und sein Leid wurde zur herzlichen Liebe. Er kommt nicht mit Vorwürfen da-her, sondern freundlich. Davon haben wir Christen uns noch viel abzuschauen. Wir sind leider noch nicht vollkommen. Und manche nehmen an unseren Fehlern Anstoß.
Da wollte einmal ein Mann aus der Kirche austreten. Der Pfarrer fragt ihn nach den Gründen. "Die Kirche gibt es schon seit fast 2000 Jahren" sagt der Mann, "aber die Menschheit ist durch die Kirche auch nicht besser geworden." Der Pfarrer antwortet: "Denken Sie doch noch einmal nach, seit Milliarden von Jahren gibt es Wasser auf der Erde, und nun sehen sie sich einmal ihren Hals an! Ihr Hals sieht so aus, als hätte er lange kein Wasser mehr gesehen. Was kann das Was-ser dafür?"
Wir dürfen es als Christen wagen, in deutlicher Weise, aber doch weise und mit Salz gewürzt zu antworten, denn wir sprechen für den Herrn, der es wert ist, be-achtet zu werden, weil seine Liebe glaubwürdig ist. AMEN.

Nikodemuskirche München-Schwabing (Alte Heide)

Für den Inhalt verantwortlich: Evangelisch-Lutherisches Pfarramt Nikodemuskirche, Rheinlandstraße 4, D-80805 München, Pfarrer Manfred Staude

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Letzte Änderung: 17.10.2004