Frantisek Xaver Brixi (1732-1771)
ein hierzulande weitgehend unbekannter Meister
F.X. Brixi stammte aus einer renommierten und weitverzweigten nordböhmischen Musikerfamilie. Insgesamt haben im 17. und 18. Jh. fünf Kirchenmusiker aus dieser Dynastie in Tschechien gewirkt: Neben Franz Xaver Brixi selbst auch Jan Josef Brixi (1712-1762), Viktorin Brixi (1716-1762) und der Zisterzienser Václav Norbert Brixi (Ordensname Jeroným, 1738-1803). Auch sein Vater Šimon Brixi war einer der bedeutendsten Komponisten des tschechischen Barock und Organist und regens chori an verschiedenen Prager Kirchen, darunter auch der Teynkirche und St. Martin. Geboren wurde Franz Xaver Brixi am 2. Januar 1732 in Prag. Sein Vater starb, als er erst drei Jahre alt war. Die Familie zog daraufhin nach Benátky nad Jizerou um, wo die Mutter 1739 wieder heiratete. Von 1744 bis 1749 besuchte F.X. Brixi das Gymnasium des Piaristenklosters im nur wenige Kilometer entfernten Kosmonosy. Dieses Kloster genoß hohes Ansehen wegen seiner regen Musikpflege, aus seinem Gymnasium sind neben Brixi auch andere bedeutende tschechische Komponisten hervorgegangen, darunter u.a. Jiri Ignác Linek (1725-1791) und G.A. Benda. Auch Brixi wurde hier musikalisch ausgebildet, seine Lehrer waren vor allem Albert Wisner (Ordensname Lucas a S.Barbara) und Václav Kalous (alias Simone a S.Bartolomaeo). Bereits während seiner Schulzeit wurde das "allerglücklichste Genie" des begnadeten Musikers gepriesen.
Mit 17 Jahren, nach Beendigung der Ausbildung, ging er nach Prag, wo er nacheinander mehrere Organistenstellen bekleidete: An St.Gallus, der Kirche des Karmeliterklosters (1749) und an der Kirche St.Nikolaus, die dem Jesuitenkolleg auf der Kleinseite angeschlossen war; nach anderen Quellen an der Marienkirche und an St.Martin. Er wurde rasch zu einem der bedeutendsten Komponisten in Prag. Zwischen 1757 und 1771 wurden Kompositionen Brixis anläßlich der sog. "Wassermusik", der musica navalis aufgeführt, eine feierliche Bootsprozession, welche der Kreuzherrenorden alljährlich unter großer öffentlicher Beteiligung am 15. Mai, dem Vorabend des Namenstages des hl. Johannes Nepomuk zu dessen Ehren veranstaltete. Aufträge zur musikalischen Gestaltung dieses Ereignisses hatte auch bereits sein Vater Šimon in den Jahren 1720 und 1722-1729 erhalten.
Wegen seiner außergewöhnlichen Begabung betreute man ihn am 1. Januar 1759 (im Alter von nur knapp 27 Jahren) mit der bedeutendsten Musikerstelle des Landes, mit derjenigen des Kapellmeisters am Dom St. Vitus (Veit) in Prag, eine Stelle, die er bis zu seinem frühen Tod bekleidete. Sein Dienstantritt fand jedoch unter denkbar ungünstigen Umständen statt: Während der Belagerung von Prag durch preußische Truppen im Siebenjährigen Krieg wurde der Dom stark beschädigt, dabei brannte die große Orgel auf der Empore am 3. Juni 1757 vollständig ab. Erst zwei Jahre nach Kriegsende konnte 1765 ein neues Werk des Orgelbauers Antonín Gartner aus Tachov geweiht werden. Mit insgesamt drei Manualen und Pedal und 2831 Pfeifen auf 40 Registern war das seinerzeit allerdings die größte Orgel in Böhmen. Diese Orgel ist noch erhalten und befindet sich heute als Nebenorgel im nördlichen Seitenschiff. Außerdem mußte Brixi seinem kranken Vorgänger Jan František Novák eine Rente aus eigener Tasche zahlen; er selbst mußte mit 200 Gulden pro Jahr vorliebnehmen. Aus diesem Grund hatte er gleichzeitig auch noch die Stelle des Organisten im Benediktinerinnenkloster St. Georg inne. Den Nonnen dieses Klosters hinterließ er den größten Teil seiner Manuskripte und Musikalien mit der Auflage, diese bei Bedarf an den Dom auszuleihen.
In nur 2 Jahrzehnten schuf F.X. Brixi ein enormes Opus: Als er am 14. Oktober 1771 im Alter von nur 39 Jahren an den Folgen einer Tuberkulose im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder starb, hinterließ er ca. 500 Werke, darunter über 100 Messen, 11 Requiem, 263 Motetten, Offertorien und andere kleinere kirchenmusikalische Werke, darunter auch mehrere Weihnachtspastorelle, die Passion Judas Iscarioth für Karfreitag, mehrere Oratorien, dramatische Kantaten und lateinische und deutsche Schuldramen, 3 Sinfonien, mehrere Konzerte, insbesondere 7 Orgelkonzerte und Konzerte für Flöte und Orchester sowie zahllose Orgelwerke. Seine Bedeutung kann man daraus ermessen, daß er Kompositionsaufträge für zahlreiche bedeutende Jubiläen der Prager Kirchenrepräsentanten erhielt. Darunter befinden sich das Schuldrama Sanctus Albertus Pragensium episcopus für das Jesuitenkolleg im Klementinum, das zur Feier der Intronisation des Erzbischofes Antonín Graf Príchovský bestimmt war, die Festkantate Corona dignitatis senectus zum Jubiläum professiones des Abtes der Benediktinerklöster Brenov und Braunau, Friedrich Grundmann, oder die Festkantate Ad sanctum crucem majorem triplicis crucis pradepositus für den Propst des Prager Kreuzherrenordens, Václav Kirchmayer, alle von Brixi auch selbst dirigiert. Die Aufzählung von Auftragskompositionen für bedeutende Anlässe läßt sich fortsetzen.
Er war einer der bekanntesten und einflußreichsten böhmischen Komponisten des 18. Jahrhundert. Stilistisch stand er an der Wende vom Spätbarock zur Vorklassik. Man findet in seiner Musik auf der einen Seite Einflüsse der Neapolitanischen Schule, von Johann Joseph Fux (dessen Kontrapunktschule "Gradus ad Parnassum" auch für Joseph Haydn wichtig war) und Antonio Caldara. Gleichzeitig war er aber ebenso dem neuen "galanten" Stil verpflichtet, wie man ihn auch bei Johann Christian Bach, Giovanni Battista Pergolesi, oder der nicht zuletzt auch und gerade von böhmischen Musikern beeinflußten Mannheimer Schule findet.
Seine Musik ist geprägt von einer klaren, heiteren und funkelnden Melodik, frischer Rhythmik, einfacher und doch effektvoller Instrumentierung und einem beweglichen Bass. Man findet in ihr auch Elemente der tschechischen Volksmusik. In den Chorpartien wechseln homophone Partien mit bereits vorklassisch gehaltenen kontrapunktischen Sätzen, seine Arien zeichnen sich durch eine berauschende Melodik aus. Auch die musikalische Orientierung an der Textaussage gehört zu den Eigenheiten seines Kompositionsstils
Die Kopien seiner Werke waren weit verbreitet, nicht nur in Böhmen, sondern auch im übrigen Mitteleuropa, besonders natürlich in den benachbarten katholischen Ländern Österreich, Schlesien und Bayern. In vielen Musikalienverzeichnissen böhmischer, österreichischer oder bayerischer Klöster, die an der Wende zum 19. Jahrhundert, zum Teil in Zusammenhang mit der Säkularisation angefertigt wurden, ist er einer der am häufigsten vertretenen Komponisten, seine Werke waren sogar stärker vertreten, als z.B. diejenigen Josef Haydns. Zeitweilig war er der am häufigsten aufgeführte tschechische Komponist. Auch Mozart soll ihn geschätzt haben. Er war einer der wichtigsten Wegbereiter der Wiener Klassik in Böhmen, und seinem Wirken ist es vermutlich zu verdanken, daß die Musik Mozarts in Prag so wohlwollend und verständnisvoll aufgenommen wurde.
Trotz seiner hohen Beliebtheit zu Lebzeiten ist Brixi außerhalb seiner Heimat heute völlig zu Unrecht weitgehend vergessen, was möglicherweise darauf zurückzuführen ist, daß seine Schaffensperiode nur sehr kurz war und er das engere Umfeld von Prag nie verlassen hat. Offensichtlich sind auch zu seinen Lebzeiten keine Kompositionen von ihm in Druck erschienen, was ebenfalls zu diesem Vergessen beigetragen haben kann. Unverständlicherweise sucht man ihn ausserhalb Tschechiens trotz seiner Bedeutung auch in vielen Musiklexika und Monographien immer noch vergeblich, obwohl es mittlerweile sogar wieder eine Reihe von Einspielungen einzelner seiner Kompositionen auf CD gibt und einiger seiner Messen im Druck erschienen sind. Leider ist fast die gesamte ihn betreffende (und sogar relativ umfängliche) Literatur in tschechisch, ein Umstand, der nicht gerade dazu beiträgt, ihn ausserhalb seiner Heimat wieder in das allgemeine Bewusßsein zu rufen. In Tschechien werden seine Werke allerdings auch heute noch häufig aufgeführt. Vor allem seine klein besetzten Missae breve kommen den Finanzierungsmöglichkeiten kleinerer Kirchengemeinden sehr entgegen.
Der Kirchenchor Benediktbeuern hat Brixis Weihnachtspastorelle "Pastores Loquebantur" und "Transeamus usque Bethlehem" mehrfach aufgeführt.