Kirchenmusik in Benediktbeuern

Heinrich Kaminski (1886-1946)

ein zu Unrecht vergessener Komponist

Heinrich Kaminski wurde am 4.7.1886 in Tiengen bei Waldshut (im Südschwarzwald in der Nähe der Schweizer Grenze) geboren. Sein Vater Paul Kaminski war polnischer Herkunft und ursprünglich katholischer Priester. Er gehörte zu den Mitbegründern der Altkatholischen Kirche, und Heinrichs Mutter, Mathilde Barro, war Sängerin. Er besuchte Schulen in Waldshut, in Konstanz und das Altkatholisches Internat in Bonn. Nach dem Abitur arbeitete Kaminski zunächst kurze Zeit als Lehrling in einer Bank in Offenbach und begann anschließend 1906 ein Studium der Staatswissenschaften (damals hieß das Nationalökonomie) in Heidelberg. Dort begegnete er Martha Warburg, die sein musikalisches Talent erkannte und auf jede nur mögliche Weise förderte. Kaminski erhielt ersten Klavierunterricht bei Johanna Elspermann und erwarb sich 1907 erste musiktheoretische Kenntnisse bei Philipp Wolfrum, bei dem er evangelische Kirchenmusik studierte. Als er sich endgültig für eine Musiklaufbahn entschieden hatte, zog er im Jahre 1909 nach Berlin, wo ihm Martha Warburg ein Zimmer unentgeltlich zur Verfügung stellte, und besuchte das Sternsche Konservatorium (seit 1945: Konservatorium der Stadt Berlin). Seine Lehrer dort waren Wilhelm Klatte, Hugo Kaun und Paul Juon im Fach Komposition und Severin Eisenberger im Fach Klavier. In dieser Zeit entstanden die ersten Kompositionen, die noch deutlich spätromantisch im Duktus sind, wie z.B. das Quartett a-moll für Klavier, Klarinette, Viola und Violoncello op.1b (1912) und das Streichquartett F-Dur (1913).

Im Jahre 1914, im Alter von 28 Jahren, zog Kaminski zunächst nach München und von da dann nach Ried, einem kleinen Dorf bei Benediktbeuern. (Heute ist Ried ein Ortsteil von Kochel). Maria Marc, die Frau des Malers Franz Marc, war dort seine erste Klavierschülerin. Mit diesen beiden verband ihn bald eine enge Freundschaft, die auch über den Tod des Malers hinaus Bestand hatte. Nach dem Tode Franz Marcs zog die Familie Kaminski im Mai 1921 auf Bitte der Witwe in deren Haus in Ried. Dort traf er auch den Maler Emil Nolde mit den ihn ebenfalls eine enge Künstlerfreundschaft verband. Kaminski besaß mehrere Bilder von Nolde, die sein Arbeitszimmer schmückten.

Während des 1. Weltkrieges wirkte Kaminski als Chorleiter. Dabei lernte er die Sängerin Friederike Jopp (von Kaminski "Elfriede" genannt) kennen, die er 1916 heiratete. Am 1.1.1918 wurde die älteste Tochter, Gabriele, geboren. Weitere Kinder waren Benita (geb. am 7.5.1921), die Zwillinge Renate und Donatus (geb. am 19.9.1922) und Vitalis (geb. am 14.10.1923).

Kaminski widmete sich in diesen Jahren intensiv der Komposition, in der er auch einen Kreis von Schülern unterrichtete. Zu seinen Schülern gehörten u. a. Erich Doflein und später Reinhard Schwarz-Schilling und Heinz Schubert, sein bedeutendster Schüler war aber zweifellos Carl Orff. Mit Ausnahme von Carl Orff, der stilistisch eigene Wege ging, wurden Kaminskis Schüler in ihrem späteren Werk stark von ihm beeinflußt.

1916 schrieb Kaminski unter dem unmittelbaren Eindruck des Todes seines Freundes Franz Marc sein Streichquintett fis-moll für 2 Violinen, 2 Violen und Violoncello, dessen Uraufführung in München am 12. März 1917 angesehen wurde als

"Offenbarung eines jungen Genies [...] durch die sich der Blick in ein neues Land öffnet. [...] Alle Stimmen gehen ihren selbständigen melodischen Weg, gebändigt und zusammengehalten durch ein überlegenes polyphones Denken [...] Man spürt die Kraft einer unter hoher Gefühlsspannung stehenden Musikernatur, die sich brausend entladen muß [...]und wird in den Strom innerlichsten Erlebens mitgerissen."

So jedenfalls lautete die Kritik in den Münchener Neuesten Nachrichten vom 24. März 1917. Auch Bruno Walter, der damalige Musikdirektor der Bayerischen Staatsoper, gratulierte dem Komponisten auf das Herzlichste, der ihm daraufhin die Reinschrift der Partitur zueignete.

Größten Erfolg als Komponist erntete Kaminski im Mai 1920 auch mit der Uraufführung des bereits 1914 entstandenen 69. Psalms, einem Monumentalwerk für Tenor, 8-stimmig gemischten Chor, 4-stimmigen Knabenchor und Orchester. Eben diese Aufführung in München unter der Leitung von Bruno Walter bestimmte den damals 25-jährigen Carl Orff, der zu diesem Zeitpunkt bereits selbst Komposition unterrichtete (z.B. Werner Egk), "bei Kaminski noch einmal in die Lehre zu gehen".

Andere wichtige Werke der Nachkriegsjahre waren Introitus und Hymnus (1919), eine Gegenüberstellung des Nachtliedes aus Nietzsches Also sprach Zarathustra mit dem 1. Korintherbrief, das hochkomplex-gruppenpolyphone Concerto grosso für Doppelorchester (1922), das Quintett für Klarinette, Horn und Streichtrio (1924) das Magnificat (1926), das ihm großen Ruhm einbrachte, einige Motetten (O Herre Gott, 1924, Der Mensch, 1926, Die Erde, 1928), sowie die Oper Jürg Jenatsch, die zwar ein großes Presseecho auslöste, bei ihrer Uraufführung 1929 in Dresden unter Fritz Busch jedoch durchfiel.

Seit 1922 hatte Kaminski in dem Schweizer Werner Reinhart einen zuverlässigen Freund und großzügigen Mäzen. Weitere Uraufführungen folgten, was ihm gesteigerte Bekanntheit und Ansehen verschaffte. 1928 wurde Kaminski der Beethovenpreis verliehen und er erhielt eine Berufung als Professor und Leiter einer Meisterklasse für Komposition an die Preußische Akademie der Künste in Berlin, wo neben anderen damals auch Arnold Schönberg unterrichtete. Er übernahm in diesem Amt die Nachfolge von Hans Pfitzner. Vom 1.1.1930 an wurde Kaminski für zunächst drei Jahre befristet angestellt. Außerdem übernahm er auf Wunsch Wilhelm Lampings die Leitung der Musikvereinskonzerte in Bielefeld, eine Aufgabe, die ihm sehr viel Freude bereitete. Bis 1933 war Kaminski eine der führenden Gestalten im deutschen Musikleben, dessen Werke unter Dirigenten wie Wilhelm Furtwängler, Bruno Walter, Fritz Busch und Hermann Scherchen weite Verbreitung fanden. Sein Vertrag an der Preußischen Akademie der Künste wurde jedoch 1933 nicht mehr verlängert, da er gesinnungsmäßig nicht in die nun veränderte politische Landschaft paßte.

Im Zeichen der sich abzeichnenden inneren Emigration gründete Kaminski an seinem 47. Geburtstag am 4. Juli 1933 in Ried zusammen mit engsten Freunden den "Orden der Liebenden". Die Regeln dieses Ordens lauten u.a.:

  1. nichts und niemanden zu hassen, auch nicht durch Böswilligkeit oder Misshandlung zu Hassgedanken verleiten zu lassen - denn Hass wird nur durch Nichthass überwunden.
  2. Täglich mindestens einmal, und sei es auch nur für Sekunden oder Minuten, liebendes Gedenken in die Welt hinauszusenden. Hierbei möge man an besonders der Liebe entbehrende Orte hin, wie etwa Gefängnisse oder Leidende überhaupt, in Liebe denken, und auch wie Buddha gegen alle Wesen ein unbegrenztes Gemüt erwecken.

Die Zugehörigkeit zu diesem Orden besteht nicht ein für alle mal, sondern muß immer wieder täglich neu durch entsprechende Hingabe erworben werden. Die Regeln sollen nur dem weitergegeben werden, der dafür reif erscheint. Unbedingtes Stillschweigen hierüber ist selbstverständlich. Verständlicherweise geriet Kaminski daraufhin unter politischen Verdacht. 1934 legte er nach heftigen politischen Anfeindungen auch sein Amt in Bielefeld nieder und kehrte endgültig nach Ried zurück, das er von da an nicht mehr auf längere Zeit verlassen hat. (Nach anderer Quelle legte er beide Ämter 1933 nieder.) Aus dieser Zeit stammt die leider unvollendet gebliebene Messe deutsch für fünfstimmig gemischten Chor (veröffentlicht posthum 1947) die mit den Worten beginnt:

"O wirre Welt! Wie ganz entstellt
hast Du Gottes heil'gen Willn
und aller Wege Ziel und Sinn so ganz verkehrt!
Mein Gott, wie hält uns Dunkel schwer umfangen!"

Kaminski Grab in BenediktbeuernIm Jahre 1938 gab es einen erneuten Versuch, Kaminski eine Professur in Berlin zu vermitteln. Bei dieser Gelegenheit wurde anläßlich des seinerzeit üblichen Ariernachweises, einer Überprüfung der Liste seiner Vorfahren, ein Familienmitglied jüdischer Abstammung vermutet, er selbst sogar als Halbjude eingestuft. Die Berufung nach Berlin scheiterte aus diesem Grund. Diese amtliche Ahnenforschung und die daraus folgenden Querelen brachten ihm zudem ein von 1938-1941 geltendes Aufführungsverbot ein. Sein Schüler Heinz Schubert (gefallen 1945 im Oderbruch) dirigierte trotzdem ein Werk Kaminskis (In memoriam Gabrielae am 20.11.1940 in Rostock) und fiel aus diesem Grunde in Ungnade. Erst nach langen Auseinandersetzungen wurden diese Diskriminierungen 1941 offiziell teilrevidiert, Kaminski durfte, wenn auch eingeschränkt, wieder aufgeführt werden. In dieser materiell außerordentlich schwierigen Zeit - erschwerend kam hinzu, daß Kaminski in finanziellen Dingen unbegabt war - wurde er lediglich in der Schweiz auf Betreiben seines Freundes Werner Reinhart vielfach aufgeführt. Besonders der Häusermann'sche Privatchor unter der Leitung von Hermann Dubs hat sich hier um Kaminskis Werke verdient gemacht.

Zu diesem schwierigen Umfeld trat in den folgenden Jahren schweres familiäres Leid. Am 14.9.1939 starb seine älteste Tochter Gabriele: Nach einer Blinddarmoperation war sie nicht mehr aus der Narkose aufgewacht. Die Komposition In Memoriam Gabrielae (1940) für Alt, Violine und Orchester entstammt der Zeit der Trauer um diese Tochter. Kaminskis Sohn Donatus kam im Juni 1943 auf einem U-Boot ums Leben. Im September 1945 schließlich mußte er den Tod seiner Tochter Benita beklagen. Die letzten Lebensjahre Kaminskis waren vor allem mit der Komposition an der Oper Das Spiel vom König Aphelius (sprich: Ap-helius, griech. "fern der Sonne") ausgefüllt, zu der er auch den Text verfaßte und die er selbst als Krönung seines Lebens, als deutlichsten Ausdruck seines Wollen und Denkens angesehen hat. Die Uraufführung dieses Bühnenwerkes in Göttingen im Jahr 1951 hat er nicht mehr erlebt: Kurz nach Fertigstellung ist Heinrich Kaminski am 21. Juni 1946 in Ried bei Benediktbeuern gestorben. Reinhard Schwarz-Schilling:

"Die vielfältige Saat, die der Musiker Kaminski im Verlauf seiner Lebensarbeit gesäht hatte, trug reiche Frucht. Ein stets neues Verknüpfen der verschiedenen Elemente kennzeichnet jedes Werk für sich. [...] Als 1945 die Wendung und das Ende der grauenhaften Kriegsjahre brachte, war er, in die Arbeit versunken, ein anderer geworden, der nichts mehr auf dieser Welt erstrebte. Alles berührte ihn nur noch von ferne, auch, daß die Welt ihm mit einigen spärlichen Aufführungen die Wiedergutmachung schuldig blieb. Es war ein neues schicksalhaftes Missverhältnis und brachte wachsende Vereinsamung. [...] Um in seinem letzten Werke alles zusammenfassend und überhöhend Kunde zu geben vom Menschen, von seinem Sein und Werden, verzehrte er sich im Schaffensfieber, der erschütterten Gesundheit nicht achtend. Nachdem er die Feder aus der Hand gelegt hatte, brach der Körper zusammen. wenige Tage später, am 21. Juni 1946, kurz vor der Vollendung des sechzigsten Lebensjahres, verließ Heinrich Kaminski diese Welt."

Das Schaffen Kaminskis umfaßt, trotz seines relativ bescheidenen Umfangs, viele verschiedene Gattungen. Darunter befinden sich auch zahlreiche Chorwerke und andere Vokalstücke geistlichen Inhalts und Werke für Orgel. Am Anfang seines Schaffens stehen vor allem Musikstücke mit kleiner Besetzung, erst in seinem Spätwerk dominieren Orchesterwerke. Seine stets tonale, der Spätromantik verpflichtete Musiksprache ist bestimmt durch Polyphonie und, vor allem wiederum im Spätwerk, durch Verwendung freier rhythmischer Formen mit ständigen Taktwechseln, Polyrhythmik und ausgeprägten Synkopen. Stilistisch findet sich in Kaminskis Werken kaum Entwicklung, die ihm eigenen Stilmittel sind bereits in den frühen Kompositionen vorhanden. Dazu zählen die Verwendung eines Fernchores oder von Instrumenten in der Ferne, um den mystischen Ausdruck seiner Werke zu erhöhen. Orgelpunkte und Unisono-Stellen dienen der Intensivierung der Tonsprache. Besonders in den Chorwerken erreicht er damit eine tiefe Wirkung. Formmäßig greift Kaminski zu überlieferten Gattungen, wie Messe, Motette, Concerto grosso etc., doch deren Wiederbelebung ist ihm kein formales Anliegen. Statt dessen füllt er sie so stark mit neuen Inhalten, daß Neues entsteht: Keines von Kaminskis Werken ist historisierend.

Durch alle Werke hindurch zieht sich latent eine religiöse Grundtendenz. Allerdings war seine Religiosität nicht konfessionell gebunden, sondern eher von der Theosophie Rudolf Steiners beeinflußt, zu der er sich in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg zeitweilig hingezogen fühlte.

Im Zeichen einer ihm eigenen Form von Humanität verwendete Kaminski gern Texte der Heiligen Schriften verschiedener Religionen, um das alles verbindende Element der Mitmenschlichkeit deutlich hervortreten zu lassen. So vertonte er z. B. im Triptychon (drei Gesänge für Alt oder Bariton und Orgel, entstanden zwischen 1926 und 1930) Texte aus der Lehre des Zarathustra, des Buddhismus und des Christentums (Wessobrunner Gebet) und setzte sie zueinander in Beziehung. Darin sah Kamiskiy überhaupt das Entscheidende seines Schaffens, der Menschheit von ihrer Verbundenheit miteinander Zeugnis zu geben, die Brüderlichkeit als das höchste Menschheitsideal zu feiern. Daher sah er im Komponieren eine Art "Gottesdienst", zu dem er sich, wie beispielsweise auch Gustav Mahler, in die Abgeschiedenheit eines "Komponierhäuschens" zurückzog. Kaminski wollte mit seiner Musik den Menschen zum "Urquell des Seins" zurückführen. Kunst hatte für die "Lebensfunktion [...], Kunde zu bringen von dem Mysterium der Urzusammenhänge ", wie er 1930 in Musikpflege oder Musikbetrieb schrieb (in Die Musikpflege, 1, 1933, S. 16ff). Deshalb ist letztlich alle Musik Kaminskis geistliche Musik. Polyphonie ist für ihn in diesem Zusammenhang die Sprache des Kosmos: "Klangwerdung ewiger Lebensgesetze [...], in Zungen redende Verkündigung" (aus: Einiges über polyphone Musik, 1926)

Die Musik Kaminskis erscheint weitgehend unberührt vom zeitgenössischen Schaffen und den in der Musik der ersten Hälfte des 20. Jh. vorherrschenden Tendenzen und Strömungen. Diese Eigenständigkeit machte es nach dem 2. Weltkrieg schwer, das Werk Kaminskis in das etablierte Konzertleben zu integrieren. Die Jahre nach 1945 waren in Deutschland musikalisch geprägt von einem radikalen Neuanfang, da man in den Jahren des Dritten Reiches den Anschluß an die allgemeine künstlerische Entwicklung verloren hatte. Im Zuge dieses Neuanfanges wurde zunächst alles über Bord geworfen, was aus der Sicht der Zeit nicht als "modern" eingestuft werden konnte. Auf diese Weise geriet das Werk Heinrich Kaminskis unverdientermaßen rasch in Vergessenheit.

Plakat der Münchener Konzertdirektionzum Kohl-Boosé für das Kaminski-Gedächniskonzert am 25.8.1946 in Benediktbeuern Eine der wenigen Gelegenheiten, zu denen in den Nachkriegsjahren Musik Kaminskis aufgeführt wurde, war ein Konzert anläßlich der Eröffnung einer Ausstellung von Gemälden Franz Marcs am 25. August 1946 im Kloster Benediktbeuern. (Dies war die erste Retrospektive Franz Marcs nach seiner Verfehmung im Dritten Reich, also noch vor der in der einschlägigen Literatur oft als erste Nachkriegsausstellung angegebene Münchner Ausstellung vom Ende des selben Jahres. Die Gemälde stammten aus dem Besitz Maria Marcs und des Berliner Sammlers Berhard Köhler.) Bei diesem Konzert, das als "Gedächtniskonzert" für den etwa 2 Monate zuvor verstorbenen Komponisten angekündigt wurde, traten u.a. auch die Kaminski-Schüler Reinhard Schwarz-Schilling (der Vater des späteren Bundespostministers) und Karl Schleifer auf. Es wurden ausschließlich Werke Kaminskis aufgeführt, darunter drei Uraufführungen. Wegen des großen Erfolges wurde es am darauf folgenden Sonntag noch einmal wiederholt. (Zu diesem Anlaß hielt auch der Franz Marc-Kenner Hermann Bünemann einen Vortrag zum Schaffen Franz Marcs.) Nichtsdestoweniger: Es gibt bis heute so gut wie keine Konzerte und nur einige vereinzelte Aufnahmen einzelner Kompositionen Kaminskis auf Tonträger.

Um so höher ist es zu bewerten, daß es sich das Orchestre des Régions Européennes unter Konrad von Abel im Jahr 2004 zur Aufgabe gesetzt hat, das musikalische Erbe Heinrich Kaminskis und seiner Schüler Reinhard Schwarz-Schilling und Heinz Schubert wieder zu entdecken. Im Tournee-Projekt Vom Unendlichen (dem Titel eines Praeludiums und Fuge für Sopran und drei Streichquintette von Heinz Schubert) wurden in einer historisch einmaligen Zusammenstellung Werke dieser drei Musiker vorgestellt. Tourneestart war am 21.10.2004 in Benediktbeuern. Zieht man die Pressevertreter und die geladenen Honoratioren ab, dann waren im Allianz-Saal des Meierhofes des Klosters gerade etwa ebenso viele Zuhörer anwesend, wie Musiker im Orchester vertreten waren. Für diejenigen jedoch, die gekommen waren, war es eine musikalische Sternstunde. Das Projekt, das mit einem Förderpreis der Ernst von Siemens Musikstiftung ausgezeichnet wurde, führte von Benediktbeuern über Nidda, Hannover, Dessau, Berlin, Naumburg, München, Kaminskis Geburtsort Waldshut-Tiengen nach Lyon.

Zitate

Musik muß strömen! Gibt es Schöneres, als in ihren Strom zu kommen? [...] Es ist nicht Sache der Kunst, Gefühle auszudrücken, Musik ist da, um zu klingen und lebendig zu sein. Sie stellt nichts dar. Sie ist Leben an sich.

Heinrich Kaminski

Kaminski ist ein Protest gegen die Zeit, gegen die Musik der Zeit. Das ist seine stärkste Kraft, das ekstatisch religiöse sich Entgegenstellen, das auch musikalisch Form geworden ist.

Herman Scherchen

Er arbeitete langsam und schwer, mit äußerster Konzentration und immer am Instrument. Ich bewunderte seine absolute Meisterschaft. [...] Einmal spielte mir Kaminski den ganzen Anfang des Concerto grosso vor. Ich fragte ihn danach, wie es denn nun weitergehen sollte. Zu meiner Überraschung antwortete er nur: "Es wächst!" [...] Kaminski, der Spätromantik entstammend, war Hymniker; alle seine Musik war Verkündigung. Polyphonie war ihm Weltanschauung.

Carl Orff

Literatur

(in der Reihenfolge der Veröffentlichung)

H.F.Redlich, Heinrich Kaminski, Musikbl. des Anbruch 10, 1928, 413ff.
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W.Tappolet, Heinrich Kaminski, Annalen I 1927, 893-898.
H.J.Moser, Heinrich Kaminski, ZfM 96, 1929, 601-607
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H.Mersmann, Heinrich Kaminski, Die Kammermusik 4, 1930, 138ff.
H.Strobel, Chormusik von Heinrich Kaminski, Anbruch 13, 1931, 312f.
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P.Schmidt, Kaminskis Bielefelder Jahre, Musica 1, 1947, 372f.
K.Schleifer, Heinrich Kaminski, Leben und Werk, Musica 1, 1947, 70-81.
H.F.Redlich, Im memoriam Heinrich Kaminski, MMR 77, 1947, 185-188.
E Seebass, Neues von und über Heinrich Kaminski, dt. Rundschau 81, 1955, 1273-1276.
I.Samson-Herrmann, Das Vokalschaffen von Heinrich Kaminskimit ausnahme der Opern, Diss. Frankfurt a.M. 1956.
Dies. Und Menschsein hieß ihm Brudersein, Musica 10, 1956, 156f.
Dies. Grundlinien einer Kaminski-Biographie, Musica 12, 1958, 727-738.
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H.Hartog, Franz Marc und Heinrich Kaminski, Neue Dt. Hefte 145, 1975, 69-93.
W.Abegg, Persönliche Erinnerungen an Heinrich Kaminski, SMZ 117, 1977, 273-275.
W.Tappolet, Heinrich Kaminski. Erinnerung und Würdigung, MuG 33, 1979, 165-174.
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H.Hartog, Heinrich Kaminski. Leben und Werk, Tutzing, 1987.
W.Abegg, I.Samson, MGG.

Kaminskis Grabstein RückseiteWOHL IHM, DER
IN SICH FINDET
TIEF
IM URGRUND
GEGRÜNDET
DEN FRIEDEN DER
DES WAHNS DES
LEIDS IHN UND DIE
WELT ENTBINDET
UND DESS' LEBEN
LICHT
AM URLICHT
ENTZÜNDET
VON GOTT IN WAH
REM MENSCHSEIN
KÜNDET
HK
(Kaminskis Grabstein in Benediktbeuern, Rückseite)