Friedrich Sebastian Mayer
Benediktbeuerns Verbindung zur großen Musikwelt
Friedrich Sebastian Mayer (auch Maier, Meier oder Mayr) wurde am 5. April 1773 als Sohn des Benediktbeurer Klostertafeldeckers und Gärtners Joseph Mayer und der Katharina Heinrizi in Laingruben (der Ort wurde erst 1865 nach dem benachbarten Kloster benannt) im Haus "Beim Steiger" (Alte Hausnummer 82, heute Dorfstraße 34) geboren. Mütterlicherseits war er ein Cousin des ebenfalls aus Benediktbeuern-Laingruben stammenden Bildhauers Benedikt Hainrizi, der unter anderem auch den Skulpturenschmuck der Gloriette im Schloßpark Schönbrunn ausführte, für die Fürsten Esterházy arbeitete, sowie das Grabmal für Anna Gräfin von Walsegg-Stuppach entwarf (oft fälschlischerweise Johann Henrici zugeschrieben). Der Tod der Letzteren am 14. Februar 1791 hat bekanntlich deren Mann dazu bewogen, Mozart einen Auftrag für ein Requiem zu erteilen. Mit neun Jahren wurde Friedrich Sebastian Mayer Singknabe am Kloster. Später studierte er zunächst Theologie in München und Salzburg (gelegentlich wird behauptet: bei den Jesuiten, was jedoch nicht sein kann, da dieser Orden bereits im Jahre der Geburt Mayers in Bayern und Österreich aufgehoben worden war), gab dieses Studium jedoch bald auf und wurde Sänger. Im Alter von 19 Jahren - 1792 - debütierte er als Bassist in Linz a.d. Donau. Doch bereits ein Jahr später hatte er ein Engagement als Sänger am Freihaustheater in Wien.
Das Freihaus "auf der Wieden" war ein ursprünglich steuerbefreiter Gebäudekomplex (daher der Name) der Grafen Starhemberg zwischen Wiedener Hauptstraße, Operngasse und Margaretenstraße, in dem von 1785 bis 1787 auch ein Theater errichtet wurde: eben das Freihaustheater, das bis 1809 bestand. Es handelte sich dabei um ein eher provisorisches Vorstadttheater aus Holz mit zwei Stockwerken und Platz für immerhin etwa 1000 Personen. Dieses Haus übernahm im Jahr 1788 der Dichter und Schauspieler Johann Friedel, der es seinerseits bei seinem Tod (31.3.1789) testamentarisch seiner Gesellschafterin, der Ehefrau von Emanuel Schikaneder, vermachte. Schikaneder hatte einige Jahre früher vergebens versucht, eine Konzession für den Bau eines neuen Theaters vor dem Burgtor in Wien zu erhalten, und war, nachdem dieses Vorhaben gescheitert war, nach Regensburg gegangen. Nun kehrte er zurück und übernahm die Leitung des Freihaustheaters.
In dessen Ensemble trat Sebastian Mayer ein, als Sänger, Schauspieler, Dichter, Komponist, Arrangeur und als Regisseur bzw. als Assistent Schikaneders. In den acht folgenden Jahren bis Juni 1801 wurden am Freihoftheater insgesamt mehr als 122 Opernproduktionen (nicht: Aufführungen!) von mindestens 44 Komponisten auf die Bühne gebracht, darunter auch Werke von Mozart, Josef Haydn, Salieri, Peter von Winter, Paisiello, Gluck, Dittersdorf und Cimarosa. Es gab also für eine Universalbegabung wie Mayer viel zu tun. Der Beethovenbiograph Alexander Wheelock Thayer (Life of Beethoven, 1866, in der Übersetzung von Hermann Deiters: Ludwig van Beethovens Leben, 5 Bände, Leipzig 1907- 1910, online bei zeno.org) bescheinigte ihm, er wäre ein nur mäßiger Bassist gewesen, aber ein guter Schauspieler und "von dem edelsten und feinsten Geschmack in allen Arten von Vokalmusik, Oper und Oratorium".
Hier lernte Mayer auch seine spätere Frau kennen: die 16 Jahre ältere Maria Josepha Weber, die älteste Schwester von Constanze Mozart. Maria Josepha war Sängerin in der Schikanederischen Truppe und hatte 1791 in der "Zauberflöte" die erste Königin der Nacht gegeben, eine Rolle, die sie bis 1795 allein am Freihaustheater noch über 200 mal geben sollte. Zu dem Zeitpunkt, als Mayer an das Freihaustheater kam, war sie seit 5 Jahren mit Mozarts Freund Franz de Paula Hofer verheiratet, seines Zeichens Violinist an der k.k. Hofkapelle und im Orchester Schikaneders. Nach dessen frühen Tod (mit 41 Jahren, 14.6.1796) heiratete Mayer die Witwe am 23.12.1797 in St. Borromäus, und wurde somit zum posthumen Schwager Wolfgang Amadé Mozarts und zum - angeheirateten - Cousin Carl Maria (von) Webers. (Sein Schwiegervater Franz Fridolin Weber und der Vater Carl Marias, Fanz Anton (von) Weber waren Brüder). Trauzeugen waren Emanuel Schikaneder und Peter von Winter, “Kapellmeister am Hof zu Pfalzbayern”. Die Ehe blieb kinderlos, allerdings brachte Josepha aus erster Ehe eine siebenjährige Tochter (Josepha Hofer, * 29.08.1790) mit, die ihrerseits in der ersten Hälfte des 19. Jhs. eine der gefeiertsten Sopranistinnen Wiens werden sollte.
Ende der 1790er Jahre war Schikaneder wirtschaftlich so erfolgreich, dass er 1799 mit dem Bau einer neuen, größeren Spielstätte beginnen konnte. Zwei Jahre später war sie fertig: Am Freitag, den 12. Juni 1801 fand die letzte Vorstellung im Freihaustheater statt, am nächsten Tag wurde das Programm ohne Unterbrechung nur wenige hundert Meter entfernt auf dem gegenüberliegenden Wienufer in der Linken Wienzeile Nr. 6 wieder aufgenommen: im Theater an der Wien, das heute noch existiert. Gegeben wurde die heroische Oper "Alexander" des Hauskompositeus Franz Teyber auf ein Libretto von Schikaneder. Bis 1815 blieb Mayer diesem Haus treu.
Allerdings geriet Schikaneder kurz darauf in wirtschaftliche Schwierigkeiten, so daß das Theater 1802 an seinen Finanzier Bartholomäus Zitterbarth überging, der, da in Theaterdingen unerfahren, die Leitung nach wie vor Schikaneder und seinem Assistenten Mayer überließ. In den folgenden Jahren sollte das Theater (und Mayer) jedoch noch häufiger einen Besitzerwechsel erleben: 1804 - 1806 Peter Freiherr von Braun, unter dessen Ägide Beethovens "Leonore" uraufgeführt wurde, 1807 - 1813 die "Gesellschaft der Kavaliere", ein Konsortium von Adeligen, die zeitweilig auch das Hoftheater betrieben und von 1813 bis 1825 Graf Palfy, der sich dabei völlig ruinierte.
In dieser Zeit sang Mayer u.a. den Pizzaro in der ersten Fassung von Beethovens Oper Leonore (Uraufführung am 20. November 1805), den er auch in der zweiten Fassung (Uraufführung am 29. März 1806) im selben Haus übernahm. Darüber hinaus war er bei beiden Inszenierungen auch organisatorisch beteiligt, wie aus mehreren Briefen Beethovens hervorgeht. Der vertraute Ton dieser Briefe zeigen auch, daß Mayer offensichtlich freundschaftlichen Umgang mit Beethoven pflegte. Zwei davon seien hier zitiert:
[Wien, kurz vor dem 10. April 1806]
Lieber Mayer!
Baron braun läßt mir sagen, daß meine oper Donnerstags soll gegeben werden, die Ursache warum, werde ich dir mündlich sagen - ich bitte dich nun recht sehr, Sorge zu tragen, daß die Chöre noch besser probirt werden, denn es ist das leztemal tüchtig gefehlt worden, auch müßen wir Donnerstags Noch eine probe mit dem ganzen orchester auf dem Theater haben - Es war zwar vom Orchester nicht gefehlt worden, aber auf dem Theater mehrmal - doch war das nicht zu fordern, da die Zeit zu kurz war, ich muste es aber drauf ankommen laßen, denn B.[aron] braun hatte mir gedrohet, wenn die oper Sonnabends nicht gegeben, würde, sie gar nicht mehr zu geben - Ich erwarte von deiner Anhänglichkeit und Freundschaft, die du mir wenigstens sonst bewiesen, daß du auch jezt für diese proben sorgen wirst, nachdem braucht die oper denn auch keine solche proben mehr, und ihr könnt sie aufführen, wann ihr wollt - hier zwei Bücher - ich bitte dich eins davon Röckel zu geben - leb wohl lieber Mayer und laß dir meine Sache angelegen seyn -
dein Freund Beethow[en]
Und am 10. April selbst schrieb Beethoven, wegen der für diesen Tag angesetzten Aufführung des Fidelio:
Lieber Mayer!
Ich bitte dich H[errn] v[on] Seyfried [Anm.: Ignaz Xaver Ritter von Seyfried, 1776-1841, Kapellmeister am "Theater an der Wien" bis 1828] zu ersuchen, daß er heute meine oper dirigirt, Ich will sie heute selbst in der Ferne ansehen und hören, wenigstens wird dadurch meine Geduld nicht so auf die probe gesezt, als so nahe bey, meine Musick verhunzen zu hören - Ich kann nicht anders glauben, als daß es mir zu Fleiß geschieht - Von den Blasenden Instrumenten will ich nichts sagen aber - laß alle p: pp: cres: alle decres: und alle f: ff: aus meiner oper ausstreichen, sie werden doch nicht alle gemacht - mir vergeht alle Lust weiter etwas zu schreiben, wenn ichs so hören soll - Morgen oder übermorgen hole ich dich ab zum Eßen - ich bin heute wider übel auf /
dein Freund Beethoven.
Nb: Wenn die oper übermorgen sollte gemacht werden so muß Morgen wieder probe im Zimmer davon seyn - sonst geht's alle Tage schlechter -
Aus diesen Briefen (der zweite wurde übrigens Gustav Mahler 1907 vom Wiener Philharmonischen Orchester als Abschiedsgeschenk überreicht) gehen die vielfältigen Aufgaben Mayers am Theater hervor. Er war auch an der berühmten Soirée im Hause des Fürsten Lichnowsky im Dezember 1805 beteiligt, deren Ziel es war, Beethoven von einer Überarbeitung und Straffung seiner Oper zu überzeugen
Aber auch eigene Bühnenstücke und Singspiele sind von Mayer bekannt, wie z.B. "Rosalinde oder die Macht der Feen". Leider sind weder im Wiener Stadt- und Landesarchiv noch in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek Werke von ihm erhalten. Auch das "Repertoire International des Sources Musical", eine Datenbank existierender Musikhandschriften kennt Mayer nicht.
Von der Einstudierung der ersten Leonoren-Fassung 1805 berichtet Thayer die folgende Anekdote: Wie bereits erwähnt, war Mayer ein guter Schauspieler und Organisator, aber kein hervorragender Sänger. Das minderte aber offensichtlich nicht sein Selbstbewußtsein. Beethoven machte es sich daher zur Aufgabe, ihn von diesem Selbstbewußtsein zu kurieren. Er komponierte in die Arie des Pizzaro eine Reihe von Tonleitern, die von allen Streichern begleitet wurde, aber so, daß jeder Ton, den Mayer singen mußte, einen Vorschlag erhielt, der eine kleine Sekunde unter der jeweiligen Note lag. Thayer:
Dem Pizarro von 1805 gelang es trotz heftigen Gestikulierens und Windens nicht, diese Schwierigkeit zu vermeiden, um so mehr, als die missgünstigen Musiker im Orchester diese Sekunde auch noch schadenfroh betont akzentuierten. Don Pizarro, vor Zorn schnaubend, war daher der Gnade der Streicher ausgeliefert. Das rief Gelächter hervor. Der Sänger, dessen Stolz dadurch verletzt wurde, brach in verzweifelten Zorn aus und schleuderte Beethoven neben anderen Bemerkungen die Worte hin: "Mein Schwager hätte niemals so einen verdammten Unsinn geschrieben!"
Das Zitat ist die Übersetzung Hermann Deiters aus Thayers vornehmen Englisch. Mayer hat wohl eher gesagt: "Mei Schwager hätt' nie so an verdammten Schmarrn g'schrieb'n!" In späteren Fassungen der Oper war diese Passage nicht mehr enthalten
Ab 1815 war Sebastian Mayer Sänger an der k.k. Hofoper.1827 zog er sich mit 54 Jahren von der Bühne zurück, wo er namentlich als Sarastro zu bewundern gewesen war. Er starb am 9.Mai 1835 in Wien, im Alter von 62 Jahren im Haus Laimgrube 27 (heute Wien 6, Lehárgasse 7/Linke Wienzeile 10) an der "Bauchwassersucht", nur zwei Häuser von seiner langjährigen Wirkungsstätte entfernt, dem Theater an der Wien.