Kirchenmusik in Benediktbeuern

Kurze Geschichte der Katholischen Kirchenmusik

Exkurs: Struktur und Entwicklung der Messe

Der Begriff "Messe" leitet sich von der Schlußformel des katholischen Gottesdienstes "ite, missa est, Gehet hin, ihr seid entlassen" ab und wird seit dem 5. Jahrhundert als Begriff für die Eucharistiefeier verwendet. Die rituelle Handlung der Messe besteht aus zwei Teilen, die beide aus der jüdischen Tradition stammen: Sie faßt den Wortgottesdienst der Synagoge mit dem rituellen häuslichen Mahl des Pessachfestes zusammen. Dabei besteht der Wortgottesdienst, auch Vormesse genannt, aus Lesungen, Gebeten und Belehrungen (Predigt) am Lesepult; der eigentliche Opfergottesdienst - die Eucharistiefeier - findet dagegen am Altar statt. Innerhalb dieser beiden Teile unterscheidet man zwischen dem Proprium Missae, das sind die im Zyklus des Kirchenjahres wechselnden Teile Introitus, Graduale, Alleluja, Sequenz und Tractus des Wortgottesdienstes, sowie Offertorium und Communio des Opfergottesdienst einerseits, und dem Ordinarium Missae, den stets unveränderlichen Texten des Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Benedictus und Agnus Dei andererseits. Auch das Pater noster, der Schlußversikel Ite missa est, die Präfation (der Beginn des eucharistischen Hochgebetes) und die rituelle Reinigung der Gemeinde mit Weihwasser mit den Antiphonen Asperges me und Vidi aquam gehören zum Ordinarium, das mit Ausnahme der Präfation, des Schlußvesikels und der einleitenden Antiphone vom Chor oder der Gemeinde vorgetragene wird. Die Texte des Propriums sind in der Regel den Psalmen entnommen, können aber auch aus freier geistlicher Dichtung bestehen. Derartige freie Dichtung findet man vor allem in Vertonungen des 18. und 19. Jahrhunderts. Die Anordnung der einzelnen Teile der Messe ist in der folgenden Tabelle zusammengefaßt:

  Proprium Missae   Ordinarium Missae
      Asperges me
Vidi aquam
Vormesse Introitus    
      Kyrie
Gloria
  Graduale
Alleluja
(oder:) Tractus
   
      Credo
Opfermesse Offertorium    
Präfation
Sanctus
Benedictus
Pater noster
Agnus Dei
  Communio    
      Ite missa est

Das Ordinarium ist die Grundlage der vertonten "Messen". Die Propriumsgesänge: Introitus, Offertorium und Communio wurden in der frühen Kirche vom Chor vorgetragen, während Graduale, Alleluja und Tractus traditionell von einem Kantor (oder dem Priester) gesungen wurden. Später erfolgte der Vortrag auch durch den Chor. Die Entwicklung der Propriumsgesänge, die zu einer reichen Literatur geführt hat, verlief musikalisch parallel zu der Ordinariumsvertonung.

Die oben geschilderte Form der Messe existiert seit dem 11. Jahrhundert. Der vermutlich älteste Teil des Ordinariums ist das Kyrie, wie sein griechischer Text belegt. Ursprünglich handelte es sich hierbei um eine Litanei, ein Bittgebet mit einer ständig wiederholten Anrufungsformel. Unter Papst Gregor I. (Amtszeit 590 - 604) wurde es auf die Anrufung gekürzt (wenn auch nicht überall), wie ein Brief des Papstes an Johannes von Syracus belegt:

"In den täglichen Messen unterlassen wir den Rest dessen, was gewöhnlich gesagt wird, und sagen nur Kyrie eleison und Christe eleison"

Seit dem späten 8. Jahrhundert hat das Kyrie seine heutige Form mit jeweils dreimaliger Anrufung "Kyrie eleison", "Christe eleison" und "Kyrie eleison". Auch das Sanctus, das möglicherweise aus der jüdischen Praxis übernommen wurde, ist seit dem 4. Jahrhundert als allgemeiner Teil des Ordinariums belegt, sein zweiter Teil, das Benediktus, wird von Caesarius von Arles im Jahr 542 erwähnt. Das Agnus Dei schließlich wurde von Papst Sergius (Amtszeit 687-701) als Abgrenzung gegen die Ostkirche eingeführt, in der die symbolische Darstellung Jesu in Tierform verboten war. Es war wohl anfänglich eine Litanei, die ursprünglich in Syrien verbreitet war (Sergius war Syrer) und die so lange wiederholt wurde, wie das Brechen des Brotes andauerte. Erst im 11. Jahrhundert wurde es auf drei Anrufungen beschränkt und der Schlußvesikel "Dona nobis pacem" eingeführt.

Als letzte Teile sind Gloria und Credo in das reguläre Ordinarium aufgenommen worden: Das Gloria wurde aus der Ostkirche übernommen, wo es bereits in den frühen Jahrhunderten der Christenheit als Hymnus weit verbreitet war und allmählich auch in den römischen Ritus übernommen wurde, wenn auch zunächst nur für den Weihnachtstag (es war somit ursprünglich Bestandteil des Propriums) und später auch für Bischofsmessen. Erst nach der Jahrtausendwende wurde es ständiger Bestandteil des Ordinariums. Das Credo dagegen (ursprünglich ausschließlich das Bekenntnis der neuen Täuflinge) ist die lateinische Übersetzung eines griechischen Textes, der auf dem Konzil von Chalcedon (451) verabschiedet wurde, mit dem Ziel, die Doktrin der Konzile von Nicaea (325) und Konstantinopel (381) zusammenzufassen. Über die Ostkirche gelangte es im 6. Jahrhundert nach Spanien und von dort in das Frankenreich, wo es unter Karl dem Großen Bestandteil der fränkisch-römischen Messe wurde. Im 11. Jahrhundert wurde es wegen des damaligen starken deutschen Einflusses auf die Kurie schließlich allgemeiner Bestandteil der römischen Liturgie.