Kirchenmusik in Benediktbeuern

Die Messen W.A. Mozarts

Notizen zu einzelnen Werken

Missa brevis in G-Dur, KV 140 (Anh. C 1.12)

Wegen ihres zum Teil (volks-) liedhaften Charakters und des beschwingten Dreiertaktes in Kyrie, Gloria und Agnus Dei hat diese Komposition gelegentlich den Beinamen "Pastoralmesse" erhalten. Wegen dieses "pastoralen" Charakters wurde sie möglicherweise das erste Mal in der Weihnachtszeit aufgeführt. Die Authentizität dieser Komposition war lange Zeit umstritten, da das Autograph verschollen ist, und sie sich stilistisch nur schwer in die übrigen Messen Mozarts einreihen läßt. Dementsprechend uneinheitlich war die Einordnung dieses Werkes. Der Mozartbiograph Otto Jahn (1813 - 1869), der diese Messe für eines Mozart unwürdig hielt, zweifelte die Urheberschaft Mozarts an. Dessen Biographie W.A. Mozart erschien erstmals 1856/59 und war Pflichtlektüre für alle Mozartforscher bis in das 20. Jh., bei allen darin enthaltenen Vorurteilen. Die von A.A. Albert besorgte 7. Auflage erschien noch 1955/56. Diese Skepsis wurde von den Zeitgenossen zunächst nicht geteilt. Köchel war anfänglich von der Echtheit überzeugt. Er bemerkt hierzu in der 1. Ausgabe des KV:

"Während mehrere Musikfreunde und Musikdirectoren diese Messe für echt und gut Mozartisch halten, hält. O. Jahn [...] dieselbe ihres geringen inneren Werthes wegen für unterschoben. - Abschriften davon sind ziemlich zahlreich verbreitet."

Da Köchel in der Folgezeit offenbar ein Stimmenexemplar der Messe mit der Autorenangabe "Süßmayr" (ein Schüler Mozarts, der auch das "Requiem" zu Ende geführt hat) in die Hände bekam, revidierte er seine Meinung später und merkte sie "zur Ausscheidung" vor. In der 2. Ausgabe des Köchelverzeichnisses (1905) erscheint sie dementsprechend nicht, in den nächsten 2 Editionen (zuletzt 1947) wird sie als "untergeschobenes Werk" geführt. Joseph Messner (1893-1969, ab 1922 Domorganist, von 1926 bis zu seinem Tod Domkapellmeister in Salzburg) führte jedoch an, daß es eine ganze Reihe von Indizien gäbe, wonach es sich tatsächlich um ein Werk Wolfgang Amadeus Mozarts handeln sollte. Diese Indizien konnten durch weitere Forschungsarbeiten, besonders durch Walter Senn im Zusammenhang mit der Neuen Mozartausgabe plausibel gemacht werden:

Im Musikarchiv des Salzburger Doms befinden sich die zeitgenössischen Kopien derjenigen Werke, welche die am Salzburger Hof tätigen Komponisten für den Dom geschrieben haben. Von diesen Kopien sind jeweils zwei in einem Band gebunden. Das Konvolut, der die Messe in G, KV 140 enthält, beinhaltet als zweites Werk und vom selben Kopisten geschrieben die bekannte Messe in D, KV 194, von der die Urheberschaft W.A.Mozarts zweifelsfrei ist. Es ist unwahrscheinlich, daß die damaligen ersten und zweiten Hofkapellmeister, Johann Ernst Eberlin und Leopold Mozart(!) ein Werk zweifelhafter Herkunft in diese Sammlung aufgenommen hätten, die ansonsten kein einziges Opus fraglichen Ursprungs enthält.

Weiterhin existierte eine Kopie aus dem Nachlaß von Constanze Mozart. Auch hier ist es unwahrscheinlich, daß diese Sammlung ein unverbürgtes Werk enthielt. Dieses Exemplar wurde mit dem übrigen musikalischem Nachlaß Mozarts von dem Offenbacher Musikalienverleger Anton André (1775-1842) erworben. Es wird als Nr. 24 mit Incipit, also den Anfangstakten, im thematischen Verzeichnis Franz Gleissners zitiert, und André selbst schreibt 1833 in seinem "Handschriftlichen Verzeichnis" darüber:

"Diese Messe erhielt ich in Partiturabschrift; sie scheint, ihrer Abfassung nach in die ersten Jahre des Decennii 1770 zu fallen. Die Paginierung scheint von Mozart's Hand zu seyn."

André nahm nur solche Werke in sein Verzeichnis auf, wenn sie aus "bekannt gewordenen Nebenumständen ebenfalls chronologisch zu ordnen, auch darüber keinen Zweifel ließen: daß sie wirklich von Mozart componiert sind" Der Verbleib dieser Abschrift ist allerdings unbekannt. Aloys Fuchs (1799-1853, ab 1829 Mitglied des Vorstands der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien), der ebenfalls ein Werkeverzeichnis Mozarts anlegte, bemerkt 1846 zu KV 140, daß er aus Einzelstimmen, die "zwar nicht aus Mozarts Original, jedoch aus einer ganz verläßlichen Quelle" [...] eine Partitur zusammengesetzt habe".

Und schließlich wurden in der Bibliothek des Stiftes Heilig Kreuz in Augsburg Stimmen dieser Messe aus dem Besitz Leopold Mozarts gefunden, die zweifelsfrei eigenhändige Eintragungen und Korrekturen W.A.Mozarts enthalten, was sonst nur von seinen eigenen Werken bekannt ist. Es sei an dieser Stelle angemerkt, daß Leopold Mozart 1787 verschied, Süßmayr aber erst 1790 Schüler W.A.Mozarts wurde und in der fraglichen Entstehungszeit Anfang der 1770er Jahre gerade erst 4-10 Jahre alt war, er somit auch nicht der Urheber sein kann.

Insgesamt sind heute 26 verschiedene Abschriften bekannt. Eine kritische Sichtung dieses Materials lassen heute die Urheberschaft des jungen Mozart zweifelsfrei erscheinen. Als Entstehungszeit wird das Jahr 1773 angenommen. Walter Senn führt im Vorwort der Neuen Mozartausgabe (Abteilung I, Band I) 1967 aus: "Die Quellenlage beglaubigt die Echtheit von KV 140 so eindeutig, daß stilistische Bedenken zurücktreten müssen". Er bemängelt an der selben Stelle, daß in der 6. Ausgabe des Köchelverzeichnisses (1964) die Messe mit der Begründung, schon Jahn hätte sich gegen die Echtheit ausgesprochen, unter "Zweifelhafte und unterschobene Werke" geführt wird, ohne auf neuere Erkenntnisse einzugehen.

Die Messe an sich ist ein typischer Vertreter einer Missa brevis, wie sie von Mozart bekannt sind, wenn auch die Meisterschaft späterer Jahre noch nicht erwartet werden kann. Einflüsse Leopold Mozarts, J.E.Eberlins, Anton Cajetan Adlgassers (der Vorgänger Mozarts in dessen Amt als Domorganist) und vor allem Michael Haydns sind nicht von der Hand zu weisen. Die Instrumentierung beschränkt sich auf das "Kirchentrio", bestehend aus zwei Violinen, Baß oder Cello und Orgel. Es handelt sich also um eine Messe für den Gebrauch an normalen Sonntagen. Das Fehlen von Posaunen ad libitum zur colla parte-Unterstützung der Chorunterstimmen läßt vermuten, daß sie ursprünglich auch nicht für den Dom gedacht war. Auch in diesem Werk wurden Motive aus früheren Kompositionen wiederverwendet: Große Teile des Glorias und Teile des Sanctus bzw. Benedictus sind der Ballettmusik "Le gelosie del seraglio" KV Anh. 109 (Anh. 135a) entnommen. Obwohl von dieser Komposition eine Skizze Mozarts existiert, ist dessen (alleinige) Urheberschaft allerdings nicht gesichert. Die Takte 32 bis 47 des Credos stammen aus der Nr. 4 der 9 Klavierstücke KV Anh. 207 (Anh. C27.06), dessen Thematik seinerseits wieder im Ballo 2 aus der Oper "Ascanio in Alba" KV 111 auftaucht.

Im Druck erschien dieses Werk erstmals im Jahr 1956, Herausgeber war Joseph Messner.


Missa brevis in D-Dur, KV 194 (KV 186h)

Im Sommer 1774 schrieb Mozart innerhalb weniger Wochen 3 kirchenmusikalische Werke: Die als "kleine Credo-Messe" bekannte Missa brevis in F-Dur KV 192 (KV 6. Ausgabe: 186f), das "Dixit et Magnificat" KV 193 (KV 186g) und die Missa brevis in D-Dur KV 194 (KV 186h). Die D-Dur-Messe wurde am 8. August 1774 beendet und war wie die F-Dur-Schwester für den Gebrauch am Salzburger Dom bestimmt. Die Datierung stammt von Mozart selbst und wurde von ihm auf der autographen Partitur vorgenommen. Die Besetzung ist identisch mit KV 192 und umfaßt chorisch und solistisch die vier Singstimmen und besteht im Orchester aus dem "Wiener Kirchentrio" (zwei Violinen und Baß und/oder Fagott, evtl. Cello), der Orgel und ad libitum den im Dom allerdings obligaten drei colla parte-Posaunen zur Verstärkung des Chores. Die geforderte Kürze wird durch Polytextur in den wortreichen Sätzen Gloria und Credo erreicht. Der Charakter des gesamten Stückes ist liedhaft munter. Die bereits zu Mozarts Lebzeiten große Beliebtheit dieses Werkes beruht vermutlich auf dieser gefälligen Tonsprache: 1783 erschien es als erste aller Messen Mozarts im Druck, was zu einer weiten Verbreitung führte. Pikanterweise hielt der Begründer des Allgemeinen Cäcilienvereines, Franz Xaver Witt, der die Kirchenmusik der Wiener Klassik ansonsten kategorisch ablehnte, ausgerechnet diese unbeschwerte Messe als einzige der Messkompositionen Mozarts für den liturgischen Gebrauch angemessen und geeignet.


Missa brevis in C-Dur, KV 220 (KV 196b) "Spatzenmesse"

Lange Zeit war es nicht klar, wann und wo diese Messe komponiert wurde. Es gilt jedoch als sicher, daß sie zwischen 1775 und 1776 in München oder Salzburg entstand (in der 3. Auflage des Köchelverzeichnisses wird aufgrund eines Druckfehlers 1775 - 1777 als Entstehungszeit angegeben. Dieser Fehler wurde auch noch in der 6. Auflage (1964) fortgeschrieben). Das Autograph ist leider verschollen und eine sichere Datierung ist deshalb nicht möglich (s. hierzu bei der "Spaur-Messe" KV 258). Ursprünglich befand sich das Manuskript in einem Sammelband, der auch die Messen KV 257, 258, 259 und 262 enthielt, und der im Jahr 1800 zusammen mit dem übrigen Nachlaß Mozarts in den Besitz des Offenbacher Musikverlegers Johann Anton Andrés überging. Zu diesem Zeitpunkt war die Handschrift jedoch bereits nicht mehr vorhanden (genaueres hierzu wird bei der "Orgelsolomesse" KV 259 ausgeführt). Allerdings gibt es noch Aufführungsmaterialien aus dem Salzburger Dom aus der Zeit vor 1780 und eine Abschrift aus dem Chorherrenstift und späteren Dominikanerkloster Heilig Kreuz in Augsburg. Diese Kopie geht auf die Urschrift zurück, die Mozart den Chorherren 1777 ausgeliehen hatte, wie er selbst in einem Brief vom 20. November dieses Jahres festgehalten hat. Er bezeichnet diese Messe darin als "die erste aus den kurzen Messen in C", was eine Entstehungszeit 1775/76 wahrscheinlich macht. Die Mozartbiographen Théodore de Wyzewa (1862-1917) und George de Saint-Foix (1874-1954) vermuteten 1912 aufgrund eines Briefes, in dem Leopold Mozart am 15. Februar 1775 von der Aufführung von zwei "kleinen Messen" seines Sohnes in der Münchener Hofkapelle berichtet, daß eines dieser Werke die "Spatzenmesse" KV 220 gewesen sein könnte. Diese Vermutung führte dazu, daß sich seit der 3. Auflage des KV dort der Hinweis befindet: "Komponiert angeblich im Januar 1775 in München." Diese Interpretation vertrat auch 1953 noch der Musikhistoriker und Mozartspezialist Alfred Einstein (1880-1952, u.a. Herausgeber der dritten und vierten Ausgabe des Köchelverzeichnisses). Seit Beginn der siebziger Jahre geht man jedoch davon aus, daß es sich bei den "kleinen Messen" um die Messen KV 192 und 194 gehandelt hat. Wegen der Annahme, daß die Messe KV 220 zu Beginn 1775 in München und damit in zeitlicher Nähe zur Oper "La finta giardiniera", KV 196 entstanden sei, wurde sie in der 6. Ausgabe des Köchelverzeichnisses unter der Nummer 196b neu eingeordnet, was gelegentlich zu Verwirrung Anlaß gibt.

Nach einer Tagebuchnotiz von Joachim Ferdinand von Schi(e)denhofen (1747-1823, Salzburger "Landschaftskanzler") wurde am Ostersonntag, dem 7. April 1776 im Salzburger Dom "das neue Amt vom jungen Mozart" aufgeführt und es spricht einiges dafür, daß es sich dabei um KV 220 handelte. Mozart hatte in der Entstehungszeit der Messe seit kurzem eine feste Anstellung beim Erzbischof von Salzburg, Hieronimus Graf Colloredo. Dessen Vorstellungen von Kirchenmusik waren eindeutig. Sie hatte vor allem eines zu sein: brevis - kurz. Die Dauer einer Messe (wohlgemerkt einer kompletten liturgischen Messe, nicht nur dem musikalisch gestaltetem Ordinarium!) mit allen ihren Teilen durfte im Normalfall eine dreiviertel Stunde nicht überschreiten. Es wird oft behauptet, daß Fugen oder dergleichen musikalischer "Schnickschnack" grundsätzlich verboten gewesen wären, eine Aussage, die sich jedoch nirgends belegen läßt. Bei der gebotenen Kürze ergab sich der Verzicht auf ausufernde Formensprache eigentlich von selbst. Außerdem sollte der festliche Charakter der Messen durch Verwendung von Pauken, Trompeten und Posaunen erhalten bleiben. Da die Messe KV 220 das erste Werk Mozarts war, das diesen Auflagen entsprach, geht man heute davon aus, daß sie im Laufe des Jahres 1775 oder Anfang 1776 entstanden ist.

Der Grund für die Anordnungen Colloredos sind nun keineswegs in einer allgemeinen "Musikfeindlichkeit" des Fürstbischofs zu suchen. Entsprechende Tendenzen waren schon seit einigen Jahrzehnten in der katholischen Kirche verbreitet. Als nämlich im zweiten Drittel des achtzehnten Jahrhunderts die damals hochmodernen Stilelemente der neapolitanischen Oper auch mit Macht in die Kirchenmusik drängten, fand dies bei den Zeitgenossen keineswegs ungeteilten Beifall. Im Jahr 1749, also bereits sieben Jahre vor der Geburt Mozarts, sah sich Papst Benedikt XIV. sogar veranlaßt, zu diesem Thema die Enzyklika Annus qui zu verfassen, in der er eine andachtsfördernde Kirchenmusik forderte, die auf alle "theatralischen" Elemente verzichtete, wie z.B. auf typische Instrumente des Opernorchesters und auf Kastraten, eine Forderung, die sich, wie wir wissen, zumindest im achtzehnten Jahrhundert nicht überall durchsetzen ließ. Im Sinne dieser Enzyklika erließ Kaiser Josef II. im Jahr 1754 ein ausdrückliches Verbot der Verwendung von Pauken und Trompeten während des Gottesdienstes in seinem Reich. Dieses Verbot hielt allerdings nur bis 1767, als sich der Regent genötigt sah, für ein feierliches Te Deum anläßlich der Genesung der Kaiserin von schwerer Krankheit das bis dato verpönte Instrumentarium wieder zuzulassen. (Mehr über die josephinischen Beschränkungen der Kirchenmusik in der "kleinen Geschichte der katholischen Kirchenmusik")

Die Einstellung Mozarts zu den Auflagen Colloredos, die, wie gesagt, die allgemeinen Tendenzen in der offiziellen Einstellung der Kirche zur Kirchenmusik und die aufklärerischen Ideen des Josephinismus widerspiegelten, ist hinreichend bekannt und er hat sich am 4. September 1776 in einem oft zitierten Brief an seinen Mentor Padre Martini in Bologna bitter über diese Vorschriften beklagt, auch wenn die meisten seiner Messen in der Zeit der Lockerung dieser Auflagen entstanden sind:

"Unsere Kirchenmusik ist ganz anders als die Italiens, um so mehr als eine Messe mit Kyrie, Gloria, Credo, der Epistelsonate, dem Offertorium und der Motette, dem Sanctus und Agnus Dei, und sei es auch die feierlichste, wenn der Fürst zelebriert, nicht mehr als drei Viertelstunden dauern darf. Es ist ein besonderes Studium für diese Kompositionsart erforderlich, da es doch eine Messe mit allen Instrumenten, wie Trompeten, Pauken etc. sein muß."

Mozart verschweigt in diesem Brief allerdings, daß Colloredo zu speziellen Anlässen, wie z.B. der 1200-Jahr-Feier des Bistums Salzburg, eine Missa solemnis nicht nur zuließ, sondern sogar ausdrücklich forderte, im speziellen Fall die Missa in Honorem S. Ruperti von Michael Haydn. Auch Mozarts Missa longa KV 262 ist eine missa solemnis mit einer Aufführungsdauer von über einer halben Stunde - der Beiname kommt nicht von ungefähr. Außerdem galt Colloredos Anordnung nur der Ausführung des Ordinariums, andere liturgische oder außerliturgische Kompositionen, wie Vespern oder Litaneien waren nicht betroffen, sofern es sich um die musikalische Umrahmung eines kirchlichen Hochfestes handelte.

Nichtsdestoweniger war die Gestaltungsweise der Missa Brevis keineswegs eine Form, die in Salzburg aufgrund Colloredo'scher Anordnungen entstanden war oder gar eine Erfindung Mozarts, der auch bereits früher schon, noch unter dem Fürstbischof Sigismund von Schrattenbach Messen dieses Stils komponiert hatte. Schon die 1749 entstandene Messe F-Dur von Joseph Haydn (die sog. "Jugendmesse" Hob. XXII,1) enthielt alle gestalterischen Elemente wie zum Beispiel ein kurzes Kyrie, dessen Melodie im dona nobis pacem des Agnus Dei wiederholt wird, und Polytextur in Gloria und Credo, d.h. der Text ist in verschiedene Abschnitte aufgeteilt, die aus Gründen der Zeitersparnis gleichzeitig in den Singstimmen erklingen. Die Tradition der Missa Brevis in dieser Form läßt sich bis auf die Missa brevis solennitatis des Wiener Hofkapellmeisters Johann Joseph Fux (1660 - 1741) zurückverfolgen.

Die sog. Spatzenmesse ist in ihrer kurzen Prägnanz ein typisches Beispiel für den von Colloredo geforderten Stil. Mit 360 Takten ist sie eine der kürzesten Messen Mozarts überhaupt. Vom Typus her ist sie eine Missa brevis et solemnis, d.h. einerseits ist sie knapp in der Anlage (auf eine Zerstückelung des Textes wird allerdings weitgehend verzichtet), andererseits aber durch die Verwendung von Pauken, Trompeten und Posaunen festlich besetzt wie eine Missa solemnis.

Alfred Einstein bezeichnete diese Messe als Mozarts schwächstes kirchenmusikalisches Werk, was ihrer großen Beliebtheit aber keinerlei Abbruch tut. Diese Beliebtheit resultiert vermutlich aus einer eingängigen, nahezu volkstümlichen Melodik, die Einstein als "allzu salzburgerisch" verurteilte. Anfang des 19. Jahrhunderts erschienen einzelne Sätze sogar in Bearbeitung als Kantaten mit deutschem Text. Die Bezeichnung "Spatzenmesse" entstand ebenfalls im 19. Jahrhundert aufgrund der lautmalerischen Begleitfigur der Violinen in Takt 8 und 10 des Sanctus, die wie das Tschilpen von Spatzen klingt. An anderen Stellen im Sanctus und vor dem Hosanna im Benediktus wird dieses Motiv noch mehrfach wiederholt. Das "dona nobis pacem" in den Takten 51 - 53 des Agnus Dei, das im übrigen erstmals bei Mozarts Messen wieder die Thematik des Kyrie aufgreift, hat der Komponist drei Jahre später unverändert in das Agnus Dei der "Krönungsmesse" KV 317 übernommen.


Missa brevis in C-Dur, KV 258 "Spaur-" oder "Piccolomini-Messe"

Bei der sog. "Spaur-Messe" gibt es mehrere Ungereimtheiten, sowohl was die Datierung, als auch die Namensgebung anbelangt, und dies, obwohl die Quellenlage eigentlich hervorragend ist: Neben authentischen, von Wolfgang und Leopold Mozart eigenhändig redigierten Stimmenabschriften aus dem ehemaligen Chorherrenstift Heilig Kreuz in Augsburg (heute Staats- und Stadtbibliothek Augsburg) ist auch das Autograph erhalten. Letzteres befindet sich in einem Sammelband zusammen mit den Autographen der C-Dur-Messen KV 257, der sog. "großen Credo-Messe" und KV 259, der "Orgelsolo-Messe", der sich heute im Besitz der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin befindet.

In allen Auflagen des Köchelverzeichnisses wird die Messe mit "Dezember 1776" datiert. Auch die übrigen Messen des Berliner Konvolutes sollen Ende 1776 entstanden sein. Diese Angabe, die auch in fast der gesamten Literatur zu finden ist, beruft sich auf eine Eintragung ("nel mese Decembre 1776") in dem erwähnten Sammelband, der offensichtlich von Leopold Mozart zusammengestellt und beschriftet wurde. Was bei dieser Datierung bislang allerdings übersehen wurde, ist der Umstand, daß die fragliche Eintragung nicht nur mehrfach durchgestrichen und geändert wurde, sondern auch von fremder Hand hinzugefügt wurde und weder von Leopold, noch gar von Wolfgang Amadé Mozart selbst stammt. Sie ist auch nicht konsistent zu den Angaben früherer Werkeverzeichnisse. So spricht das erste "Gleissner-Verzeichnis" (entstanden wohl noch vor 1800 zur Katalogisierung des Mozart'schen Nachlasses im Besitz des Musikalienverlegers Johann Anton André) von "1781. im December". (Die Messe KV 257 wird hier mit November 1781 und KV 259 mit Dezember 1775 datiert, letztere auch noch mit dem Entstehungsort Salzburg.) Diese Angaben wurden zunächst unverändert in das sog. "Gleissner-André-Verzeichnis" übernommen (eine Abschrift des Gleissnerverzeichnisses mit Kommentaren Andrés, heute im Besitz der Deutschen Mozartgesellschaft in Augsburg). Erst in einer weiteren Überarbeitung wurden dann die Daten anfänglich in "1775" und schließlich in "1776" geändert und so dann von Ludwig Ritter von Köchel in das seither "offizielle" Werkeverzeichnis übernommen. Aufführungsberichte von dieser Messe oder andere diesbezügliche Nachrichten, die Klarheit in die Datierungsfrage bringen könnten, existieren nicht. Im Vorwort zum dritten Messband der Neuen Mozartausgabe werden stilistische und graphologische Einordnungsversuch erwähnt, die eine Entstehungszeit vor 1777 (vermutlich 1775/76) vermuten lassen. Allerdings sind derartige Untersuchungen beliebig ungenau. Die Fragwürdigkeit derartiger Datierungsmethoden wird deutlich, wenn man die drei Messen KV 257 - 259 mit anderen kirchenmusikalischen Werken Mozarts vergleicht, die im fraglichen Zeitraum entstanden sind, wie z.B. die Litanie de venerabili altaris Sacramento KV 243 vom März 1776 oder das Offertorium Venite populi KV 260 (248a) aus dem selben Jahr: Es gibt in den Messen im Gegensatz zu den erwähnten Werken keine "opernhaften Elemente", keine geschlossenen Arien, keine Koloraturen, Fugen oder andere polyphone Abschnitte spielen eine sehr untergeordnete Rolle von jeweils nur wenigen Takten. Der Kontrast ist so groß, daß Einstein in seinem Standardwerk Mozart. Sein Charakter - sein Werk 1936 schreibt:

"Von dem doppelchörigen Offertorium [Anm.: KV 260/248a] aus dem Frühjahr des selben Jahres [hier: 1776] ist die erste dieser Messen [d.h. KV 257, von der Anlage her immerhin die umfangreichste dieser drei Messen] durch eine solche Kluft getrennt, daß man, würde man nur diese beiden Werke kennen, an zwei verschiedene Autoren glauben müßte. Nirgends wird unsere Ohnmacht, den Progreß und Prozeß der Schöpfung eines großen Meisters zu verfolgen, offenkundiger als in diesem Fall. Zwischen den beiden Kirchenwerken steht auch kein Werk, das als Brücke über die Kluft dienen könnte"

Soweit zur Sinnhaftigkeit stilistischer Datierungsversuche. Es soll allerdings auch eine Papieruntersuchung des Autographs geben, die anhand der Wasserzeichen für die Messe KV 258 eine Entstehungszeit Ende 1775 plausibel macht, also ein Jahr vor der bisherigen Datierung, wobei derartige Untersuchungen immer nur für die früheste Datierung vebindlich sind, da derartiges Papier selbstverständlich auch noch Jahre später Verwendung finden kann.

In engem Zusammenhang mit der unsicheren Datierung steht die ebenfalls fragwürdige Namensgebung. Angeblich soll diese Messe anläßlich der Priesterweihe Friedrich Franz Joseph Graf Spaurs am 17. November 1776 im Dom von Salzburg erklungen sein. Franz J. von Spaur war ab 1777 Domherr in Salzburg und ein Neffe des Mozartgönners Leopold Maria Joseph Graf Spaur, Fürstbischof von Brixen 1747-1778. Nach einer abweichenden Überlieferung soll sie zur Weihe eines anderen Neffen Leopold von Spaurs, Ignaz Joseph von Spaur (Domherr in Salzburg 1755-76) zum Bischof-Koadjutor von Brixen bestimmt gewesen sein, der seinem Onkel 1778 in das Amt des Brixener Fürstbischofs nachfolgen sollte. Für beide Varianten existieren allerdings keinerlei Belege. Die Bezeichnung "Spaur-Messe" an sich geht auf Alfred Einstein zurück. Er bezog sich dabei auf einen Brief von Leopold Mozart an seine Familie vom 28. Mai 1778. Leopold hatte seinerzeit die Verantwortung für die musikalische Gestaltung der Weihe Anton Theodor Graf Colloredo-Mels und Wallsees zum Erzbischof von Olmütz. Er schrieb darüber:

"Es war vom Brunetti bey der Musik immer ein Geplauder, wer denn die Consecrations-Messe machen sollte, und er glaubte es dahin bringen zu können, daß Haydn vom Erzbischof einen Befehl bekommen sollte: allein der Erzbischof gab keine Antwort [...] Ich machte des Wolfg. Messe mit dem Orgl Solo: [Anm.: die sog Orgelsolomesse KV 259] das Kyrie aber aus der Spaur Messe, liess sie schreiben und bekam die 6 ducaten richtig [...]"

Dies ist der einzige authentische Beleg einer "Spaur-Messe", aus dem allerdings nicht hervorgeht, welche Messe es nun tatsächlich war. Ohne weitere Beweise vermutet Einstein bezüglich der Messe KV 258 nun in den von ihm redigierten Ausgaben des Köchelverzeichnisses:

"Diese Messe ist die von Leopold Mozart am 28. Mai 1778 erwähnte Spaur-Messe" [...] Die Spaur-Messe kann nur eine C-Dur-Messe gewesen sein, da Leopold das Kyrie der Orgelsolo-Messe (259) die ebenfalls in C-Dur steht, durch das der Spaur-Messe ersetzt. Die Besetzung stimmt völlig überein."

(s. hierzu auch bei der Orgelsolo-Messe) Allerdings gab es relativ bald Einwände gegen diese Zuschreibung, hauptsächlich auf Basis der (seinerzeit als sicher angenommenen) Entstehung im Dezember 1776, da die Weihe Spaurs bereits im November erfolgt war. Die Begründung Einsteins ist jedenfalls nicht zwingend, denn sogar wenn die Messe KV 258 tatsächlich vor dem fraglichen Termin entstanden sein sollte, gilt dieses Argument selbstverständlich auch für jede andere zu diesem Zeitpunkt existente C-Dur-Messe Mozarts in entsprechender Besetzung (wie z.B. auch die "Spatzenmesse" KV 220 (196b), wobei die Möglichkeit einer Transponierung des Kyrie noch gar nicht in Betracht gezogen wird. Möglicherweise war die "richtige" Spaur-Messe, also diejenige, auf die sich Leopold Mozart in seinem Brief bezog, die heute als Missa longa bezeichnete Messe KV 262 (246a), die nach den Ergebnissen einer Papieruntersuchung Mitte 1775 entstanden sein soll. Allerdings ist auch dies nur Vermutung und nirgends bezeugt.

Aufgrund der zweifelhaften Bezeichnung "Spaur-Messe" wird die Messe KV 258 seit einigen Jahrzehnten auch gerne als "Piccolomini-Messe" betitelt. Die Herkunft und Entstehung dieses Namens ist jedoch bisher völlig unklar. Einen bekannten Bezug zum Namen Piccolomini gibt es nicht. Es existieren allerdings Versuche, ihn als Verballhornung von "piccolo" zu deuten, die Messe KV 258 wäre demnach eine "kleine" Messe. Diese Deutungsversuche entbehren jedoch jeder Grundlage. Der Titel "Piccolomini-Messe" ist somit noch fragwürdiger als "Spaur-Messe".

Die Instrumentierung entspricht der Spatzenmesse KV 220 (196b), der Orgelsolo-Messe KV 259 oder der Missa longa KV 262 (246a): Neben dem "Wiener Kirchentrio" (zwei Violinen und "Bassi ed Organo", also Orgelcontinuo mit Baßverstärkung) finden Pauken und zwei Trompeten Verwendung. Darüber hinaus enthalten die originalen Stimmenabschriften in Augsburg auch noch zwei Oboenstimmen aus der Hand Mozarts, die im Berliner Autograph und weiteren bekannten Abschriften nicht enthalten sind. Da den Herausgebern der Alten Mozartausgabe die Oboenstimmen nicht bekannt waren, werden sie erst seit 1978 in der Neuen Mozartausgabe berücksichtigt. Diese Besetzung weist die Messe unter Berücksichtigung der knappen Gedrängtheit des Satzes als "missa brevis et solemnis" aus, sie ist also vom gleichen Sondertypus wie die Spatzenmesse, die Orgelsolomesse oder die Krönungsmesse und war daher geeignet für höhere Festtage, den sog. Festa Pallii, an denen der Salzburger Fürsterzbischof selbst oder der Domprobst zelebrierten. Als "Bassi" dienten Violone (Kontrabaß) und Fagott; ein Cello wirkte ursprünglich nicht mit. Instrumental- und Vokalbaß folgen meist unisono der gleichen Linie, Abweichungen ergeben sich nur insofern, als der Instrumentalbaß den Vokalbaß streckenweise als Diminuation umspielt. Die Baßverstärkung durch Fagott war keine Salzburger Eigenheit, sondern vor allem auch in Italien und Spanien bis weit in das 19. Jh. hinein üblich. Kontrabaß und Fagott spielten dabei entsprechend der barocken Continuopraxis den bezifferten Orgelbaß unisono mit, auch bei Solostellen und instrumentalen Vor- und Zwischenspielen. Dazu kam noch die im Salzburger Dom übliche colla parte-Verstärkung der drei unteren Singstimmen mit Posaunen. Auch dies war m.E. keine Salzburger Besonderheit. Allerdings wurde anderenorts die Stimmverdoppelung im 17. und 18.Jh. oft mit Zinken für Alt und Tenor sowie mit Serpent für die Baßstimme ausgeführt. Bedauerlicherweise findet man bis heute kaum Aufführungen der Salzburger Mozartmessen, die dieser Praxis folgen. Dieser Umstand beruht möglicherweise darauf, daß moderne Posaunen wegen ihres Volumens hierfür wenig geeignet sind und man historische Kopien benötigt. Im Autograph sind die Verdopplungen der Vokalstimmen allerdings nicht notiert, dies überließ Mozart den Kopisten für die Auflagenstimmen. In der Neuen Mozartausgabe sind die Posaunenstimmen enthalten.

Als kompositorische Besonderheit weist dieses Werk keinen Tempowechsel im Agnus Dei auf: Entgegen der üblichen Praxis wird das Dona nobis Pacem im ursprünglichen Adagio fortgeführt.


Missa brevis in C-Dur, KV 259, "Orgelsolomesse"

Ebenso wie die "Spatzenmesse" KV 220/196 und die Messen KV 192, 257 (die "große Credo-Messe") und 258 (die sog. "Picolomini-" oder "Spaur-Messe") zeichnet sich die C-Dur-Messe KV 259 durch äußerste Knappheit des Satzes aus und entsprach somit dem von Erzbischof Colloredo geforderten Stil. (Näheres siehe bei der "Spatzenmesse") Dementsprechend ungewöhnlich für diese Serie von Messen, in denen aus Gründen der Aufführungsdauer auf musikalisches Beiwerk weitestgehend verzichtet wurde, ist daher der Einschub des Orgelsolos im Benedictus, das die Solo-Gesangspartie umspielt und das dieser Messe den Beinamen gegeben hat. Nach der Überlieferung entstand die Messe KV 259 Ende 1776 in Salzburg zusammen mit den Messen KV 257 und KV 258 (zum Problem der Datierung siehe jedoch bei der "Spaur-Messe" KV 258!) und war wohl zur Aufführung im Dom am Fest der Unschuldigen Kinder am 28. Dezember bestimmt. Dieses Fest wurde traditionell von den Sängerknaben gestaltet.

Die Autographe aller drei Messen befinden sich in einem Sammelband, der sich heute im Besitz der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin befindet. Der Schutzumschlag dieses Konvolutes ist von Leopold Mozart beschriftet; außer den Messen KV 257, 258 und 259 war urspünglich auch die Eigenschrift der "Spatzenmesse" KV 220/196b und der "Missa Longa" KV 262 enthalten. Als Johann Anton André 1800 den Nachlaß Mozarts erwarb, war die "Spatzenmesse" bereits nicht mehr enthalten, von KV 262 fehlte das Deckblatt. Das Autograph der letzteren Messe wurde später entnommen und ist seit 1945 ebenso wie dasjenige der "Spatzenmesse" KV 220/196b verschollen.

Die Instrumentierung ist in der Minimalbesetzung sparsam: Neben der Orgel (und einer obligaten Verstärkung des Continuobasses durch Kontrabaß und/oder Fagott) finden nur 2 Violinen Verwendung, der Gebrauch von Pauken und zwei Trompeten ist ad libitum. Dies weist dieses Werk als missa brevis et solemnis aus, der Gebrauch von Pauken und Trompeten war nur an bestimmten Feiertagen gestattet, wenn der Erzbischof selbst oder der Domprobst zelebrierte. Ohne diesen Zusatz konnte sie an "normalen" Sonn- und Feiertagen aufgeführt werden. Genaueres hierzu ist bei der Krönungsmesse KV 317 ausgeführt. Zusätzlich waren im Dom noch die drei üblichen Posaunen als colla parte-Unterstützung des Chores vorgesehen. Die "Begleitstimme" ist mit Bassi ed Organo bezeichnet und als bezifferter Bass ausgeführt. Nur die namensgebende Begleitung des Benediktus mit Orgel und "Bassi" ist mit 3 Systemen auskomponiert. Das Aufführungsmaterial aus dem Salzburger Dom enthält für die Bassi Stimmen für Fagott und Violone (d.h. Kontrabass), ein Cello war ursprünglich nicht vorgesehen und wurde später von fremder Hand auf der Fagottstimme ergänzt.

Um die gebotene Kürze zu erreichen, bediente sich Mozart im Gloria und Credo der Polytextur, dem gleichzeitigen Absingen verschiedener Textteile in den einzelnen Stimmen. Diese Praxis läßt sich letztlich bis auf die Einführung der Motette im 13. und 14. Jahrhundert zurückführen: Auch hier wurden verschiedene Texte gleichzeitig vorgetragen. Diese Praxis wurde im 18. Jh. nicht als liturgiewidrig angesehen, da der Vollzug der liturgischen Texte durch den Prieser zu erfolgen hatte. Ansonsten wird der liturgische Text straff durchkomponiert, Wortwiederholungen zur Steigerung der Wirkung sind selten, und das Kyrie ist mit 29 Takten das kürzeste, das Mozart jemals schrieb. Nachträglich wurde auch das Benedictus um insgesamt 18 Takte gekürzt, wobei vermutlich ausschließlich zeitliche, und keine musikalischen Gründe ausschlaggebend waren.

In der breiten Anlage des Benediktus ähnelt die Orgelsolomesse Mozarts der ein Jahr zuvor entstandenen gleichnamigen Messe Josef Haydns in B-Dur, Hob. XXII,7, die möglicherweise als Vorbild gedient hat, allerdings unter der Annahme, daß die Messe tatsächlich Ende 1776 entstanden ist. Die Violin-Kantilene im Agnus Dei nimmt die Arie der Gräfin "Porgi amor" aus dem Figaro vorweg. Das Sanctus (38 Takte) wurde übrigens zweimal komponiert: die erste, unvollendete Fassung, die nach 21 Takten mitten im Wort "excelsis" abbricht, wurde im Autograph von Mozart durchgestrichen.

Auch ansonsten wurde die Messe mehrfach überarbeitet. Im Mai 1778 weihte Fürsterzbischof Colloredo seinen Vetter Anton Theodor Graf Colloredo-Mels und Wallsee zum Erzbischof von Olmütz. Die Auswahl einer passenden Messe zu diesem Anlass überließ er Leopold Mozart, der darüber an seine Familie schrieb:

"[...] ich machte des Wolfg: Messe mit dem Orgl Solo: das Kyrie aber aus der Spaur Messe [Anm.: KV 258, auch als sog. "Picolomini- " oder "Spaur-Messe" bekannt][...]"

Der Ersatz des Kyrie geschah zu diesem Anlaß wohl deshalb, weil das originale Kyrie zu kurz und damit zu wenig feierlich war. Außerdem wurde vermutlich zu dieser Gelegenheit das Orchester durch zwei zusätzliche Oboen ergänzt. In der Folgezeit entstanden eine Reihe von zuverlässigen Kopien, zum Teil mit oder ohne Oboen bzw. mit oder ohne den Kürzungen im Benedictus. In der Neuen Mozart-Ausgabe sind die Oboen und das ungekürzte Benediktus (mit Kenntlichmachung der Streichungen) enthalten.


Missa brevis in B-Dur, KV 275 (KV 272b)

Diese Messe ist im Spätsommer des Jahres 1777 entstanden, vermutlich unmittelbar vor Mozarts großer Reise über Mannheim nach Paris, während der seine Mutter starb und auf der er seine künftige Frau Constanze Weber kennenlernte. Auch von diesem Werk ist seit 1854 ebenso wie bei der G-Dur-Messe KV 140 das Autograph verschollen, aber es existieren Abschriften in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg aus dem Bestand der Familie Mozart, in der Österreichischen Staatsbibliothek, im Stift Lambach und im Domarchiv Salzburg und an anderen Stellen, die die Urheberschaft Mozarts belegen. Es handelt sich wie bei den meisten Salzburger Messen Mozarts um eine typische missa brevis, die für Soli, Chor und "Wiener Kirchentrio" (zwei Violinen, Baß und Orgel) ausgesetzt ist. Nachträglich wurde noch eine Stimme für Viola eingefügt, und man nimmt an, daß dieser Zusatz von Mozart selbst stammt. Zusätzlich kann der Vokalbaß durch ein colla parte spielendes Fagott verstärkt werden. Die Unterstützung der drei Chorunterstimmen durch die im Salzburger Dom üblichen Posaunen ist auch hier selbstverständlich und mußte nicht eigens ausgeführt werden. Um die Aufführungsdauer kurz zu halten, macht Mozart ausgiebig vom Mittel der Polytextur Gebrauch. Es gibt keine Belege für eine Aufführung im Dom, doch ist sie für Sonntag, den 21. Dezember 1777 im Stift St. Peter belegt. Das Sopransolo sang dabei der neu an die Hofkapelle verpflichtete Kastrat Francesco Ceccarelli, der - so Leopold Mozart - "unvergleichlich gesungen hat"

Alfred Einstein hat diese Messe wegen ihrer Innigkeit und ihres heiter-volksliedhaften Charakters als "Votivmesse" bezeichnet, sie war und ist wegen ihrer leichten Eingänglichkeit von jeher eines der Hauptrepertoirestücke vieler Kirchenchöre. Allerdings haben aber eben diese Eigenschaften bei den Kirchenmusikreformern des 19. Jahrhunderts, vor allem im Umfeld des Allgemeinen Cäcilien-Vereins, zur herben Ablehnung dieser Messe geführt. Aus dem Musikalienbestand der Pfarrkirche St. Jakob in Wasserburg am Inn ist z.B. ein Stimmensatz erhalten (RISM D-WS 497) mit folgendem Eintrag:

"Die lateinische Messe, angeblich von Jos. Haydn [sic!], von welcher das Kyrie beginnt: [es folgt an dieser Stelle das Incipit], darf in den hiesigen Kirchen nicht mehr zur Aufführung kommen, denn diese Komposition ist ein offenbarer Hohn auf den heiligen Text. Wasserburg, den 5ten Febr. 1860. Kath. Stadtpfarramt Wasserburg, Koenig, Stadtpfr. mp" [mp: manu propria, eigenhändig]


Missa Brevis in C-Dur, KV 317, "Krönungsmesse"

Es gilt mittlerweile als sicher, daß Mozart die Messe C-Dur KV 317 für die Feier des Osterfestes am 4. oder 5. April 1779 im Dom von Salzburg geschrieben hat und sie zu diesem Anlaß auch aufgeführt wurde. Wie Mozart selbst auf der Partitur vermerkt hat, wurde die Komposition am 23. März 1779 beendet. Seit dem 17. Januar dieses Jahres bekleidete er die Stelle des Hoforganisten, was ihn zur Ablieferung von Kirchenwerken verpflichtete. Mit dieser Messe, die noch durch die Epistelsonate KV 329 (317a) ergänzt wurde, wollte er wohl seine Qualifikation für dieses Amt unter Beweis stellen, dementsprechend sorgfältig ist die Komposition auch ausgeführt.

Der Beiname "Krönungsmesse" stammt nicht von Mozart, sondern hat sich erst im 19. Jahrhundert eingebürgert. Bereits Köchel hat diesen Namen 1862 für KV 317 übernommen: "Eine der bekanntesten Messen Mozart's (die Krönungsmesse genannt, woher weiss Niemand". Am 30.3.1907 wurde vom Archivar des Mozarteums, Johann Evangelist Engl, in einem Tageszeitungsartikel im "Salzburger Volksblatt" die Behauptung aufgestellt, daß die Bezeichnung mit einer Jahresfeier der Krönung des Gnadenbildes in der Wallfahrtskirche Maria Plain im Norden Salzburgs in Zusammenhang stehe. Aber allein schon die Größe des Orchesterapparates, der in Maria Plain nur schwer unterzubringen ist, spricht gegen diese Vermutung. Auch heute noch hält sich dieses Gerücht hartnäckig, obwohl bereits seit 1963 bekannt ist, was es mit dem Namen "Krönungsmesse" auf sich hat. Demnach gehörte KV 317 (und auch die Nachfolgermesse KV 337) mit großer Wahrscheinlichkeit zu den Kompositionen, die 1791 anläßlich der Krönungsfeierlichkeiten von Leopold II. und seiner Gemahlin Maria Louise von der Wiener Hofkapelle (vermutlich unter der Leitung von Antonio Salieri, der dieses Ensemble von 1788 bis 1824 leitete) aufgeführt wurden. Mit ziemlicher Sicherheit erklang die "Krönungsmesse" dann allerdings im Folgejahr nach dem plötzlichen Tod Leopolds zur Krönung Kaiser Franz I. von Österreich. Die Noten zu den Messen KV 317 und 337 sind jedenfalls die ersten, die von Mozart in den Bestand der Wiener Hofkapelle gelangten. Die heute in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek befindliche Abschrift von KV 317 mit der Signatur Mus.Hs.37341. Mus trägt die Aufschrift "Messe in C / Zur Krönungsfeyer Sr. M. / Franz I. / zum Kaiser von Oesterreich" Die Bezeichnung "Krönungsmesse" ist in Wien erstmals im Jahr 1823 belegt, bezog sich allerdings dort zunächst auf die Messe KV 337. Wie auch immer, seit der ersten Ausgabe des Köchelverzeichnisses trägt die Messe KV 317 diesen Namen.

Von Mozart ist bekannt, daß er seine letzten beiden vollendeten Messen (KV 317 und 337) selbst zu verschiedenen Gelegenheiten sozusagen als "Renommierstücke" aufführte, so auch in München im Winter 1780/81, wo er sich eine Anstellung erhoffte. Er ließ sich daher von seinem Vater die Messen zuschicken, damit der bayerische Hof auch seinen Kirchenstil kennenlerne. Für den hohen Bekanntheitsgrad dieser beiden Messen bereits zu Mozarts Lebzeiten spricht, daß sie bereits 1792, kurz nach seinem Tod bei Johann Träg in Druck erschienen.

Die Krönungsmesse ist wie die meisten von Mozarts früheren Messen eine Missa Brevis, welche die von seinem Dienstherren und Salzburger Erzbischof geforderten Auflagen erfüllte. Die Grundlage dieser Anordnungen war in der Chorordnung des Salzburger Domes von 1746 niedergelegt: Der Fürsterzbischof zelebrierte nur an den Hauptfesten des Kirchenjahres, den Festa Pallii. Nur an diesen Tagen war, von wenigen Ausnahmen abgesehen, eine Missa Solemnis mit vollem Orchester zulässig. An weiteren festgelegten Feiertagen zelebrierten Domprobst oder Domdekan; zur musikalischen Gestaltung diente in der Regel eine Missa Brevis mit Kirchentrio (Orgel, 2 Violinen, Baß), dem Domprobst war allerdings auch eine Missa Solemnis gestattet, die jedoch neben der Orgel und den Streichern nur noch mit Pauken und Trompeten instrumentiert sein durfte. An den übrigen Sonn- und Feiertagen musizierte das "semi-Orchestra" aus fünf Violinisten. Die Orgel, sowie drei Posaunen (und eventuell Fagott) zur Unterstützung des Chores waren jedoch stets obligat. Auch nachdem Colloredo den zeitlichen Umfang der Messen per Dekret eingeschränkt hatte, blieb die Anordnung bezüglich der Instrumentierung bestehen.

Die Besetzung der "Krönungsmesse" weist sie vor diesem Hintergrund à priori als Messe für ein bedeutendes Kirchenfest aus; sie ist weitaus größer und repräsentativer als frühere Werke: Neben den vierstimmig gemischten Chor und das Solistenquartett tritt ein Orchester mit zwei Violinen, Celli, Kontrabaß, je zwei Oboen, Hörnern und Trompeten, drei Posaunen, Kesselpauken und Orgelcontinuo. Die Tonart C-Dur beruht wie bei der "Spatzenmesse" KV 220/196b und den Messen KV 167 ("Missa in honorem Sanctissimae Trinitatis"), 257, 258, 259 und 337 auf der Verwendung der Blechbläser, die für ein Hochamt obligatorisch waren. Ansonsten beschritt Mozart bei der Anlage der Messe neue Wege: Das Kyrie beginnt, anders als in den Vorgängermessen, im langsamen Tempo. Möglicherweise fiel die Wahl bei der Kaiserkrönung 1791 bzw 1792 auf diese Messe wegen dieses feierlichen Eingangs im punktierten Rhythmus mit seinen Reminiszenzen an die höfische französische Ouvertüre. Das im ¾-Takt stehende Gloria hat die Form eines Sonatensatzes mit Beginn der Reprise bei den Worten "quoniam tu solus sanctus". Die Einheit des Credo erzielte Mozart durch die Verwendung der Rondoform. Von besonderem Interesse ist die Figur in den Violinen, mit welcher der Adagioteil des "et incarnatus est" begleitet wird: Beethoven verwendete dieses Motiv unverändert im Flötensolo an genau der gleichen Stelle in seiner Missa Solemnis op. 123. Das Sopransolo, mit dem das Agnus Dei beginnt, taucht übrigens in leicht veränderter Form wieder auf in der berühmten Arie der Gräfin "Dove sono" in der Oper "Le Nozze di Figaro" (1785/86), und Teile des "dona nobis pacem" sind aus der "Spatzenmesse" übernommen. Im übrigen greift einer allgemeinen, in Süddeutschland und Österreich seinerzeit verbreiteten Mode das "dona nobis pacem" wieder das Motiv des Kyrie auf.

Im neunzehnten Jahrhundert hat es sich eingebürgert, auch die Krönungsmesse (wohl wegen des programmatischen Namens) im Stil romantischer "Konzertmessen" mit überdimensioniertem Massenchor und großem Orchester aufzuführen. Dem steht allerdings die allgemeine Salzburger Aufführungspraxis gegenüber, die 1757 von Leopold Mozart in einem Artikel in "Friedrich Wilhelm Marpurgs Historisch-kritische Beyträge zur Aufnahme der Musik" mit dem Titel "Nachricht von dem gegenwärtigen Zustand der Musik Sr. Hochfürstlichen Gnaden des Erzbischofs zu Salzburg im Jahr 1757" überliefert wurde: Im Dom wurde ein knapp dreißigköpfiger Chor (das war seinerzeit einer der größten in Europa!) von der Orgel, bis zu zwölf Violinen und maximal drei Celli bzw. Kontrabässen sowie je nach Komposition ad libitum von meist je zwei Oboen, Trompeten, Posaunen, Hörner, Fagott und Pauken begleitet. Speziell im Dom war es üblich, die Chorunterstimmen durch drei Posaunen zu verstärken, die diese colla parte begleiteten. Diese Stütze ist bei verschiedenen Messen Mozarts ad libitum vorgesehen, so z.B. in der "Spatzenmesse" KV 220/196b oder in der Missa brevis in D KV 194, was deren Aufführung im Dom nahelegt. In der Stiftskirche St. Peter, in der die Aufführung der Messen Mozarts - auch die der Krönungsmesse - in dessen Salzburger Zeit ebenfalls belegt ist (die Dominikusmesse KV 66 wurde sogar ursprünglich für diese Kirche geschrieben) war der Klangkörper wesentlich kleiner: Zehn bis zwölf Sänger, Orgel, ein Pult erste und zweite Violinen, ein Kontrabaß und einfach besetzte Bläser.