ZEUGNISSE
ADOLF LOOS
Er steht
an der
Schwelle einer neuen Zeit und weist der Menschheit, die sich von
Gott und
der Natur weit, weit entfernt hat, den Weg. Den Kopf in den Sternen,
die Füße
auf der Erde, schreitet er, das Herz in Qual über
der
Menschheit Jammer. Und ruft. Er fürchtet den Weltuntergang. Aber da er
nicht
schweigt, so weiß ich, daß er die Hoffnung nnicht aufgegeben hat. Und
er wird
weiter rufen und seine Stimme wird durch die kommenden Jahrhunderte
dringen,
bis sie gehört wird. Und die Menschheit wird einmal Karl Kraus ihr
Leben zu
danken haben.
WALTER
BENJAMIN
Nichts
trostloser
als seine Adepten, nichts gottverlassener als seine Gegner. Kein Name,
der
geziemender durch Schweigen geehrt würde. In einer uralten Rüstung,
ingrimmig
grinsend, ein chinesisches Idol, in beiden Händen die gezückten
Schwerter
schwingend, tanzt er den Kriegstanz vor dem Grabgewölbe der
deutschen
Sprache. Er, der «nur einer von den Epigonen, die in dem alten Haus der
Sprache
wohnen», ist zum Beschließer ihrer Gruft geworden. In Tag- und
Nachtwachen
harrt er aus. Kein Posten ist je treuer gehalten worden, und keiner je
war
verlorener... Was hilfloser als seine Konversion? Was ohnmächtiger als
seine
Humanität? Was hoffnungsloser als sein Kampf mit der Presse?.,. Doch
welches
Sehertum der neuen Magier läßt sich vergleichen mit dem Lauschen dieses
Zauberpriesters, dem eine abgeschiedene Sprache selbst die Worte
eingibt? Wer
hat je einen Geist beschworen, wie Kraus in den «Verlassenen», als ob
sie
vordem nie gedichtet worden wäre, die «Selige Sehnsucht»?
ELIAS
CANETTI
Was habe
ich von
Karl Kraus gelernt? ... Da
ist zuerst
das Gefühl absoluter Verantwortlichkeit... Noch heute steht dieses
Vorbild so
mächtig vor mir, daß alle späteren Formulierungen derselben Forderung
unzulänglich
erscheinen müssen. Da ist das kümmerliche Wort von «Engagement», das
zur
Banalität geboren war und heute überall wie Unkraut wuchert. Es klingt
so, als
ob man in einem Angestelltenvcrhältnis zu den wichtigsten Dingen stehen
sollte.
Die wahre Verantwortung ist um hundert Grad schwerer, denn sie ist
souverän und
bestimmt sich selbst.
MUSIK:
Vorspiel:
DAS AUFZIEHEN DER SCHLOSSWACHE ZU BERLIN
Edison
Walze 1902
#
Cafe
Pucher: UNGARISCHE TÄNZE, CHOPIN,
DVORAK
Kathleen
de Domenico, Prof. Dr. Norbert
Knopp
#
Zwischenmusik:
NEUJAHRSREVEILLE -
Grammophon-Orchester
Balkonrede:
KAISER WILHELM II. - Edison Walze 1914
#
Chamostra:
FRÜHLINGSSTIWIENWALZER
-Welte-Mignon Rolle 1905
#
Kaiser
Wilhelm II: PUPPCHEN DU BIST MEIN AUGENSTERN,
Orchester
Palais de Danse 1919
HOCH-
UND
DEUTSCHMEISTER MARSCH,
Xylophon-Orchester
1910
TROMPETER
VON SÄCKINGENG.
Gustav
Stellwagen, Trompete
#
Isonzofront:
JAHRMARKTMUSIK
Mamrnoth Gavioli-Fair-Organ
1892
#
Epilog:
SCHLAGZEUG, ORGEL (Herz-Jesu-Kirche,
Köln)
Hans-Dieter Flerlage Ansgar 1-lalfkann
Karl Kraus
|