Skulptur 2005 - Wo fass ich dich, unendliche Natur?
(Ahorn - Höhe ca. 30 cm)Der Wunsch, die Welt in ihrer ganzen Vielfalt zu erfassen, also mit allen Sinnen zu verstehen, ist das Ziel des Gelehrten Faust in Goethes Drama. Erst versucht er es wissenschaftlich, dann mit Magie und schließlich will er sich gar umbringen, um im Jenseits eine Antwort auf seine Fragen zu bekommen. Danach bietet ihm der Teufel an, seinen Wissensdurst zu stillen, scheitert aber letztlich an der Liebe Gretchens, die Mephisto nicht begreifen kann.
Mir bot sich, in weit bescheidenerem Rahmen,
ein Fundstück vom Neckarufer als Medium an, um
ein wenig „Natur zu fassen”:
Ein mächtiger rechter Arm liegt locker da, mit
der Handkante auf einem Baumkissen. In der
offenen Hand steht, schwungvoll aufgerichtet,
eine rätselhafte weiblich anmutende Gestalt.
Der Daumen presst das gewölbte Unterteil dieser
Figur gegen die Handinnenfläche: So hält die
Hand meine Symbolfigur für die vielgestaltige
Natur: Der Kopf mit den fliegenden Haaren
gehört der Windsbraut, die eine Jakobsmuschel
vor ihrem Körper hält, im Rücken erscheint der
Erdgeist aus einer weiteren Hand, deren
Oberfläche wie Vegetation strukturiert ist,
darüber schwebt eine geöffnete Muschel mit
einer Perle als Auge. So also hält die große
Hand Erde, Wasser und Luft im Gleichgewicht.
Die zweite Ebene betrifft die zwischenmenschlichen Beziehungen. Wie eine Familie liegen vier Arme nebeneinander, die jeweils Kontakt zu den anderen haben. Die linke Hand geht in einen geraden Griff über, mit dem der Betrachter selbst die Skulptur „fassen” kann.